Rz. 9

Einer – erneuten – Anhörung des Betriebsrats bedarf es schon immer, wenn der Arbeitgeber bereits nach Anhörung des Betriebsrats eine Kündigung erklärt hat, d. h., wenn die erste Kündigung dem Arbeitnehmer zugegangen ist und der Arbeitgeber damit seinen Kündigungswillen bereits verwirklicht hat und nunmehr eine neue (weitere) Kündigung aussprechen will. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Kündigung auf den gleichen Sachverhalt stützt (sog. Wiederholungskündigung). Dieses Gestaltungsrecht und die damit im Zusammenhang stehende Betriebsratsanhörung sind mit dem Zugang der Kündigungserklärung verbraucht. Dies gilt insbesondere auch in den Fällen, in denen der Arbeitgeber wegen Bedenken gegen die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung erneut kündigt (BAG, Urteil v. 10.11.2005, 2 AZR 623/04[1]). Das durch die ordnungsgemäße Anhörung erworbene Recht zum Ausspruch der Kündigung ist durch den Zugang der Kündigung verbraucht. Sinn des § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist es nämlich, dass der Betriebsrat bei jeder vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung seine ihm gesetzlich eingeräumten Rechte unter Ausschöpfung der dafür vorgesehenen Fristen wahrzunehmen in der Lage sein muss (BAG, Urteil v. 3.4.2008, 2 AZR 965/06[2]). Von dieser Verpflichtung ist der Arbeitgeber dann befreit, wenn eine Kündigung, zu welcher der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden ist, und der er ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt hat, am fehlenden Zugang gescheitert ist (BAG, Urteil v. 11.10.1989, 2 AZR 88/89[3]). In einem solchen Fall ist vor einer erneuten Kündigung eine nochmalige Anhörung des Betriebsrats entbehrlich, weil sie in engem zeitlichen Zusammenhang ausgesprochen und auf denselben Sachverhalt gestützt wird (BAG, Urteil v. 10.11.2005, 2 AZR 623/04[4]; BAG, Urteil v. 16.9.1993, 2 AZR 267/93[5]). Eine weitere Kündigung im eigentlichen Sinne liegt nicht vor, weil eine Kündigung empfangsbedürftig ist.[6] Einer erneuten Anhörung bedarf es auch dann nicht, wenn eine objektiv zugegangene Kündigung durch ein weiteres Schreiben bestätigt wird, weil der Arbeitgeber irrtümlich davon ausgegangen ist, die Kündigung sei nicht zugegangen.[7]

 
Hinweis

Ist der Zugang einer Kündigungserklärung zweifelhaft, sollte der Arbeitgeber vor Zustellung einer neuen inhaltsgleichen Kündigung den Betriebsrat erneut gem. § 102 BetrVG anhören.

[1] NZA 2006, 491.
[2] NZA 2008, 807.
[3] NZA 1990, 748.
[4] NZA 2006, 491.
[5] NZA 1994, 311.
[6] Richardi/Thüsing, § 102 Rz. 118.
[7] APS/Koch, § 102 BetrVG Rz. 26.

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