Rz. 67
Der Gleichbehandlungssatz des § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG und der Gleichbehandlungsgrundsatz prägt die Rechtsprechung zu der Frage, inwieweit in Sozialplänen Differenzierungen zwischen den Ansprüchen der Arbeitnehmer zulässig sind (siehe schon oben Rz. 52 zur Frage des Ausschlusses von Arbeitnehmern aus dem Geltungsbereich des Sozialplans). Im Einzelnen gilt u. a.:
Rz. 68
- Gegenüber Arbeitnehmern, die aufgrund einer vom Arbeitgeber veranlassten Eigenkündigung aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, darf die Abfindung an die Voraussetzung geknüpft werden, dass den Arbeitnehmern vor der Eigenkündigung ein unzumutbares Arbeitsplatzangebot gemacht wurde (BAG, Urteil v. 13.2.2007, 1 AZR 163/06).
Rz. 69
- Unzulässig ist nach Ansicht des BAG eine Regelung, wonach die Zahlung einer Abfindung davon abhängt, dass gegen Kündigungen keine Kündigungsschutzklagen eingereicht werden. Dies wäre eine unzulässige Einschränkung der Rechte der Arbeitnehmer (BAG, Urteil v. 20.6.1985, 3 AZR 427/84). Allerdings ist es empfehlenswert und zulässig, zu regeln, dass die Fälligkeit der Abfindung auf den Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschlusses eines Kündigungsrechtsstreits hinausgeschoben und bestimmt wird und dass eine im Kündigungsschutzprozess erstrittene Abfindung auf die Sozialplanabfindung anzurechnen ist (BAG, Urteil v. 20.6.1985, 3 AZR 427/84). Das BAG hat solche Vorbehalte auch in Ansehung des § 1a KSchG für unzulässig erklärt (BAG, Urteil v. 31.5.2005, 1 AZR 254/04). Zulässig soll es aber sein, neben dem Sozialplan in einer weiteren Betriebsvereinbarung – die mit dem Sozialplan in einer Urkunde verbunden werden kann – Leistungen mit dem Klageverzicht zu verknüpfen (sogenannte "Turboklausel" – erhöhte Abfindungen für Arbeitnehmer, die beispielsweise ohne Kündigung, z. B. durch Aufhebungsvertrag oder auf Verzicht auf die Kündigungsfrist – ausscheiden.). Diese Zusatzregelung muss jedoch eigenständig sein, mit der getrennten Betriebsvereinbarung darf das vom BAG gefundene Verbot der Sozialplanregelung nicht umgangen werden. Solche Leistungen müssen zusätzlich zum Sozialplanvolumen geleistet werden und dürfen dieses nicht – auch nur teilweise – ersetzen (BAG Urteil v. 9.12.2014, 1 AZR 146/13). Fälligkeits- und Anrechnungsklauseln sind hingegen im Sozialplan zulässig und empfehlenswert.[1] Daher ist hier auch eine Begrenzung solcher Leistungen auf ein Monatsgehalt angebracht.
Rz. 70
- Ein Ausschluss von Elternzeit bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit z. B. in einer Abfindungsformel verstößt gegen den Gleichbehandlungssatz des § 75 BetrVG und auch gegen Art. 6 GG, wenn die Formel durch eine Orientierung an der Betriebszugehörigkeit ausschließlich vergangenheitsbezogen differenziert (LAG Niedersachsen, Urteil v. 7.6.2002, 16 Sa 1542/01) und dabei auf die Beschäftigungszeiten abstellt (BAG, Urteil v. 21.10.2003, 1 AZR 407/02; BAG, Urteil v. 12.11.2002, 1 AZR 58/02).
Rz. 71
Immer wieder ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Arbeitnehmer, die rentennah sind, von Abfindungszahlungen vollständig ausgenommen und mit z. T. deutlich geringeren Beträgen abgefunden werden dürfen, Gegenstand gerichtlicher Streitigkeiten.
Dabei ist zu unterscheiden:
Es verstößt nicht gegen § 75 BetrVG, wenn die Betriebspartner solche Arbeitnehmer von Sozialplanleistungen ausnehmen, die zum Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses die Voraussetzungen für den übergangslosen Rentenbezug nach Beendigung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld erfüllen (BAG , Urteil v. 31.7.1996, 10 AZR 45/96; Urteil v. 23.4.2013, 1 AZR 25/12), auch dann, wenn es sich um ein vorgezogenes Altersruhegeld – mit der Folge einer Kürzung der Altersrente – handelt (BAG, Urteil v. 26.7.1988, 1 AZR 156/87). In einem Sozialplan können Arbeitnehmer von Abfindungsleistungen ausgeschlossen werden, die nach dem Bezug von Arbeitslosengeld I rentenberechtigt sind und zuvor die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses an einem anderen Unternehmensstandort abgelehnt haben (BAG, Urteil v. 9.12.2014, 1 AZR 102/13). Das stellt keinen Verstoß gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Lebensalters nach § 1 AGG i. V. m. § 10 S. 3 Nr. 6 AGG dar (BAG, Urteil v. 30.9.2008, 1 AZR 684/07; BAG, Urteil v. 26.5.2009, 1 AZR 198/08; BAG, Urteil v. 20.1.2009, 1 AZR 740/07; BAG, Urteil v. 26.3.2013, 1 AZR 813/11; BAG, Urteil v. 23.4.2013, 1 AZR 916/11). Die Betriebsparteien sind auch unionsrechtlich nicht gehalten, in einem Sozialplan für rentennahe Arbeitnehmer einen wirtschaftlichen Ausgleich vorzusehen, der mindestens die Hälfte der Abfindung rentenferner Arbeitnehmer beträgt (BAG, Urteil v. 26.3.2013, 1 AZR 813/11). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt aber für die Möglichkeit, vorgezogene Altersrente wegen einer Schwerbehinderung in Anspruch zu nehmen. Wird der Ausschluss oder die Kürzung einer Abfindung hieran geknüpft, liegt nach der Rechtsprechung des EuGH eine Benachteiligung wegen der (Schwer-)Behinderung vor (EuGH, Urteil v. 6.12.2012, Rs. C-152/11, Odar). Eine an die Renten...
Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?
Jetzt kostenlos 4 Wochen testen
Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen