Rz. 1

Die Sperrzeitregelung in § 159 SGB III ist Ausdruck des auch in der Arbeitslosenversicherung geltenden Versicherungsprinzips. Dabei stellt die Sperrzeit keine Art von "Vertragsstrafe" dar.[1] Vielmehr umschreibt § 159 SGB III die Grenzen des versicherten Risikos in der Weise, dass dem Arbeitslosen, der in vorwerfbarer Weise einen Versicherungsfall herbeiführt oder in vorwerfbarer Weise die Beendigung des Versicherungsfalls verzögert, der Versicherungsschutz im Hinblick auf die Arbeitslosengeldzahlungen versagt wird.[2] Insoweit handelt es sich bei der Sperrzeit in § 159 SGB III um ein Instrument zum Schutz der Versichertengemeinschaft vor einer ungerechtfertigten Inanspruchnahme.[3] Allerdings kommt es für eine Sperrzeit nicht auf den Nachweis eines Schadens für die Versichertengemeinschaft an. Insofern beinhaltet die Vorschrift des § 159 SGB III eine Pauschalregelung, mit der gleichzeitig ein Verhaltensanreiz für Arbeitnehmer wie auch Arbeitslose geschaffen wird, dass diese bei ihrem Tun nicht die Versichertengemeinschaft und deren Interessen aus dem Blick verlieren. Insofern formulieren Sperrzeiten Obliegenheiten, die vermeiden sollen, dass der Betroffene den durch die Arbeitslosenversicherung vermittelten Schutz verliert.[4]

Ob Sanktionen und Sperrzeiten tatsächlich geeignet sind, beim Arbeitslosen eine Verhaltensänderung herbeizuführen, ist zwar bisher letztlich nicht eindeutig nachgewiesen. Vorhandene Studien deuten jedoch darauf hin, dass dem Instrument der Sperrzeit ein verhaltenslenkender Effekt innewohnt.[5]

 

Rz. 2

Allerdings sind bei der Anwendung des § 159 SGB III die Grundrechte des Arbeitnehmers oder des Arbeitslosen zu beachten. Insofern ist bei der Interpretation des Begriffs "wichtiger Grund" insbesondere die Freiheit der Wahl des Berufs, die Religions- und Gewissensfreiheit, der Schutz von Ehe und Familie sowie die freie Wahl des Wohnorts zu berücksichtigen.[6] Im Hinblick auf den Eigentumsschutz ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld von Anfang an durch die Sperrzeitenregelung ausgestaltet ist. Die Sperrzeitenregelung ist damit letztlich Ausdruck des Versicherungsprinzips.[7] Im Hinblick auf die grundrechtliche Dimension bejahte etwa das BSG das Vorliegen eines wichtigen Grunds für die Lösung eines Arbeitsverhältnisses, wenn nur auf diesem Weg erreicht werden kann, dass ein aufgrund Wohnortwechsels erforderlicher Schulwechsel der minderjährigen Tochter der Arbeitnehmerin problemlos möglich ist.[8]

 
Hinweis

Zur Vermeidung von Missverständnissen ist sowohl von Arbeitnehmer- wie auch Arbeitgeberseite bei Lösung des Arbeitsverhältnisses eine erhöhte Sorgfalt angezeigt. Die Arbeitsverwaltungen sind gehalten, den tatsächlichen Geschehensablauf zu ermitteln, wenn sich aus den Antragsunterlagen, den Erklärungen des Arbeitslosen oder aus sonstigen Erkenntnissen Anhaltspunkte für ein schuldhaftes Herbeiführen der Arbeitslosigkeit ergeben. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn zu einer arbeitgeberseitigen Kündigung in Zusammenhang mit der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses Gesichtspunkte hinzutreten, die auf eine einvernehmliche Lösung des Beschäftigungsverhältnisses hindeuten. Derartige Anhaltspunkte können sich etwa aus widersprüchlichen Angaben zur vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ergeben.[9] Arbeitsgerichtliche Entscheidungen binden die Arbeitsverwaltungen im Hinblick auf die Entscheidung über eine Sperrzeit nicht.[10]

 

Rz. 3

Allgemein setzt der Eintritt einer Sperrzeit zweierlei voraus, nämlich zunächst,

  1. dass sich der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat (versicherungswidriges Verhalten) und
  2. dass er für dieses Verhalten keinen wichtigen Grund hat.
 

Rz. 4

Liegen diese beiden Voraussetzungen vor, so weist § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III von der Rechtsfolge her ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Dauer der Sperrzeit aus. Zur näheren Konkretisierung dieser allgemeinen Regelung in § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB III enthält § 159 Abs. 1 Satz 2 SGB III 9 Tatbestände, bei deren Vorliegen das Gesetz von einem versicherungswidrigen Verhalten ausgeht. Dabei sind es insbesondere die Sperrzeittatbestände wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung, wegen Meldeversäumnis und wegen Arbeitsaufgabe, die in der Praxis den Schwerpunkt bei der Feststellung von Sperrzeiten ausmachen.[11]

[1] Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 511.
[2] Greiser/Menke, ZfSH/SGB 2022, S. 490, 494.
[3] BeckOGK/Lauterbach, SGB III, 84. Erg.-Lfg. 2021, Stand: 1.2.2021, § 159 SGB III, Rz. 42.
[4] Zur Einordnung als Obliegenheit: Bieback, SRa 2021, S. 211, 212.
[5] Greiser/Menke, ZfSH/SGB 2022, S. 490, 500 f.
[6] ErfK/Rolfs, 24. Aufl. 2024, § 159 SGB III, Rz. 2.
[7] BSG, Urteil v. 25.8.2011, B 11 AL 30/10 R, SozR 4-4300, § 144 Nr. 22; dazu auch Bieback, SRa 2021, 211.
[9] FW 159.1.1.1 weitere Informationen (Sachverhaltsaufklärung) (Stand: 9/2022).
[10] So auch BSG, B...

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