Rz. 55

In besonderen Fällen bedarf die Kündigung der Zulässigerklärung bzw. Zustimmung durch eine Behörde, vgl. § 17 Abs. 2 Satz 1 MuSchG für die Kündigung während der Schwangerschaft und bis zum Ende ihrer Schutzfrist nach der Entbindung, mindestens jedoch bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung, § 18 Abs. 1 Sätze 4-6 BEEG für die Kündigung von Mitarbeitern vor und in Elternzeit, § 5 PflegeZG für die Zeit von der Ankündigung bis zur Beendigung der pflegebedingten kurzzeitigen Arbeitsverhinderung (§ 2 PflegeZG) oder der Pflegezeit (§ 3 PflegeZG), § 2 Abs. 3 FPfZG für Familienpflegezeit sowie §§ 168, 174 SGB IX zur Kündigung schwerbehinderter Menschen.

 

Rz. 56

Nach § 4 Satz 4 KSchG läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts in diesen Fällen erst ab Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer. Diese Ausnahme zu § 4 Satz 1 KSchG hat mit der Neufassung des KSchG zum 1.1.2004 erheblich an praktischer Relevanz gewonnen. Schließlich erfasst § 4 Satz 1 KSchG nun auch die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung "aus anderen Gründen". Die Rechtsprechung hat noch nicht hinreichend geklärt, in welchen Fällen die 3-Wochen-Frist mit Zugang der Kündigung beginnt und wann § 4 Satz 4 KSchG einschlägig ist.[1] In den bislang ergangenen Entscheidungen hat das BAG aber seine Rechtsprechung zur vorherigen Rechtslage, insbesondere seine Grundsatzentscheidung zu § 113 Abs. 2 InsO[2] fortgeführt. Vor diesem Hintergrund dürfte von den nachstehenden Grundsätzen auszugehen sein.

[1] Vgl. auch Schmidt, NZA 2004, 79, 80.
[2] BAG, Urteil v. 3.7.2003, 2 AZR 487/02NZA 2003, 1335 ff. § 113 Abs. 2 InsO entsprach inhaltlich im Wesentlichen der aktuellen Fassung von § 4 KSchG. Im Zuge der Neufassung von § 4 KSchG wurde § 113 Abs. 2 InsO daher ersatzlos gestrichen, vgl. BGBl. I 2003 S. 2898.

5.14.2.1 Erteilung der behördlichen Zustimmung

 

Rz. 57

Es gilt § 4 Satz 1 KSchG, wenn die Behörde der Kündigung zustimmt[1] und dem Arbeitnehmer diese Entscheidung auch vor Zugang der Kündigung bekannt gibt. Die 3-Wochen-Frist beginnt in diesem Fall mit Zugang der Kündigung und nicht bereits mit Bekanntgabe der Zustimmung der Behörde an den Arbeitnehmer.[2]

 

Rz. 58

Gibt die Behörde dem Arbeitnehmer die Zustimmung dagegen erst nach Zugang der Kündigung bekannt, läuft auch die 3-Wochen-Frist gem. § 4 Satz 4 KSchG erst ab dieser Bekanntgabe.[3]

 
Hinweis

Der Arbeitnehmer muss auch dann fristwahrend Kündigungsschutzklage erheben, wenn er die Zustimmung der Behörde zur Kündigung im Verwaltungsverfahren bzw. im verwaltungsgerichtlichen Verfahren angreift. Die behördliche Zustimmung muss zum Kündigungszeitpunkt vorliegen, aber noch nicht bestandskräftig sein.[4]

[1] Zustimmung ist hier und im Folgenden auch im Sinne einer Zulässigerklärung der Kündigung zu verstehen.
[2] BAG, Urteil v. 3.7.2003, 2 AZR 487/02, NZA 2003, 1335, 1336, 1337.
[3] BAG, Urteil v. 9.2.2011, 2 AZR 221/10, BAGE 137, 113, NZA 2011, 854, 856; zuvor bereits BAG, Urteil v. 19.2.2009, 2 AZR 286/07, NZA 2009, 980, 981; vgl. auch KR/Klose, § 4 KSchG Rz. 269 sowie Rz. 271 (zu § 17 Abs. 2 Satz 1 MuSchG) und Rz. 275 (zu § 168 SGB IX).
[4] Vgl. BAG, Urteil v. 17.6.2003, 2 AZR 245/02, NZA 2003, 1329, 1330 (zu § 9 Abs. 3 MuSchG) und BAG, Urteil v. 17.2.1982, 7 AZR 846/79, AP SchwbG § 15 Nr. 1.

5.14.2.2 Gesetzliche Fiktion der Zustimmung

 

Rz. 59

Ausnahmsweise fingiert das Gesetz die Zustimmung zur Kündigung, wenn die Behörde nicht rechtzeitig über den Antrag auf Zustimmung entscheidet, vgl. §§ 171 Abs. 5 Satz 2, 174 Abs. 3 Satz 2 SGB IX.

 

Rz. 60

Weiß der Arbeitnehmer in einem solchen Fall, wann der Arbeitgeber den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung gestellt hat, gilt der Zeitpunkt, zu dem die Zustimmung gesetzlich fingiert wird, als "Bekanntgabe" der Behördenentscheidung i. S. v. § 4 Satz 4 KSchG. Ab diesem Zeitpunkt läuft die 3-Wochen-Frist zur Klageerhebung. Schließlich ist der Arbeitnehmer bei entsprechender Kenntnis in der Lage, den Zeitpunkt des Eintritts der gesetzlichen Zustimmungsfiktion zu berechnen.[1] Die 3-Wochen-Frist wird auch dadurch in Gang gesetzt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über den Eintritt der Zustimmungsfiktion in Kenntnis setzt.[2]

 

Rz. 61

Hat der Arbeitnehmer dagegen keine Kenntnis vom Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung, fehlt es an einer Bekanntgabe nach § 4 Satz 4 KSchG. Die 3-Wochen-Frist beginnt nicht zu laufen[3]; der Arbeitnehmer kann die Kündigung bis zur zeitlichen Grenze der Verwirkung angreifen[4].

[1] Preis, NZA 2004, 195, 196; unklar KR/Klose, § 4 KSchG Rz. 279, der eine entsprechende Information des Arbeitnehmers verlangt, wobei nicht deutlich wird, ob hiermit die Information über die Antragstellung oder die Mitteilung über den Eintritt der Zustimmungsfiktion gemeint ist.
[2] Linck/Krause/Bayreuther/Linck, KSchG, 16. Aufl. 2019, § 4 KSchG Rz. 127.
[3] Kritisch Zeising/Kröpelin, DB 2005, 1626, 1628; HWK/Quecke, Arbeitsrecht, § 4 KSchG Rz. 41 f..
[4] BAG, Urteil v. 13.2.2008, 2 AZR 864/06, BAGE 125, 345, NZA 2008, 1055 (Os. 1).

5.14.2.3 Fehlen der behördlichen Zustimmung

 

Rz. 62

Spricht der Arbeitgeber eine Kündigung ohne die erforderliche Zustimmung der Behörde aus, ist ...

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