Rz. 825

Die Frage, ob Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte im Rahmen der Sozialauswahl miteinander vergleichbar sind, hat das BAG erstmalig 1998 entschieden (BAG, Urteil v. 3.12.1998, 2 AZR 341/98[1]). Damals entschied das BAG, dass die Frage, ob bei der Kündigung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer Vollzeitbeschäftigte und bei der Kündigung vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer Teilzeitbeschäftigte in die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG einzubeziehen sind, von der betrieblichen Organisation abhängt. Hat der Arbeitgeber eine Organisationsentscheidung getroffen, aufgrund derer bestimmte Arbeiten ausschließlich für Vollzeitkräfte vorgesehen sind, so kann diese Entscheidung als sog. freie Unternehmerentscheidung nur darauf überprüft werden, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Liegt eine bindende Unternehmerentscheidung vor, sind bei der Kündigung einer Teilzeitkraft die Vollzeitkräfte nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen. Will der Arbeitgeber hingegen in einem bestimmten Bereich lediglich die Zahl der insgesamt geleisteten Arbeitsstunden abbauen, ohne dass eine Organisationsentscheidung i. S. einer freien Unternehmerentscheidung vorliegt, sind sämtliche in diesem Bereich beschäftigte Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf ihr Arbeitszeitvolumen in die Sozialauswahl einzubeziehen. Diese Grundsätze gelten auch im öffentlichen Dienst (BAG, Urteil v. 12.8.1999, 2 AZR 12/99[2]).

 

Rz. 826

Seine Rechtsprechung hat das BAG in einer Entscheidung aus dem Jahr 2004 bestätigt (BAG, Urteil v. 22.4.2004, 2 AZR 244/03[3]). Demnach ist zu differenzieren: Reduziert sich aufgrund einer arbeitgeberseitigen Organisationsentscheidung lediglich das Arbeitsvolumen bzw. das Stundenkontingent im Betrieb, so sind teilzeit- und vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer im Rahmen der Sozialauswahl miteinander vergleichbar. Anders ist zu werten, wenn die Unternehmerentscheidung ergeht, dass bestimmte Tätigkeiten nur noch von Vollzeitkräften erledigt werden sollen. Hier sind teilzeit- und vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer nicht miteinander vergleichbar. Diese Grundsätze gelten auch für den Vergleich von Teilzeitbeschäftigten mit unterschiedlichen Stundenzahlen untereinander (BAG, Urteil v. 15.7.2004, 2 AZR 376/03[4]).

 

Beispiel

Bei einem Reinigungsunternehmen sind die Reinigungskräfte nicht austauschbar i. S. v. § 1 Abs. 3 KSchG, wenn sie mit einem erheblich unterschiedlichen Arbeitsumfang beschäftigt werden (einerseits 6 Stunden pro Tag, andererseits 2 Stunden pro Tag). Die Unklarheit darüber, ob in dem Unternehmen andere Reinigungskräfte mit gleichem Arbeitsumfang tätig sind, geht zulasten des Arbeitnehmers. Beispiel nach LAG Köln, Urteil v. 18.10.2000, 7 Sa 71/00.[5]

 

Rz. 827

Sofern teilzeit- und vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer miteinander zu vergleichen sind, richtet sich die Vergleichbarkeit nach allgemeinen Kriterien. Unabhängig von der Zahl der Wochenarbeitsstunden der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer, ist den sozial stärksten Arbeitnehmern vorrangig zu kündigen.[6]

 

Beispiel

Ein Arbeitnehmer möchte in seinem Betrieb 100 Arbeitsstunden pro Woche abbauen. 7 Arbeitnehmer, einige von ihnen voll-, andere teilzeitbeschäftigt, sind in die Sozialauswahl einzubeziehen:

 
Arbeitnehmer Wochenstunden Punkte Kündigung?
A 40 78 Nein
B 15 66 Nein
C 30 60 Nein
D 40 57 Änderungskündigung auf 25 Stunden/Woche
E 15 40 Ja
F 30 30 Ja
G 40 27 Ja

A, B und C sind – wie an der Punktzahl zu erkennen ist – die sozial schutzwürdigsten Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmer D, E, F und G kommen zusammen auf ein Stundenvolumen von 125 Stunden pro Woche. Bei einem Abbauvolumen von 100 Stunden pro Wochen bleibt für D, als den sozial Schwächsten von ihnen, eine Wochenarbeitszeit von 25 Stunden erhalten. Der Stundenabbau für D kann im Wege einer Änderungskündigung durchgesetzt werden. E, F und G fallen dem Stundenabbau zum Opfer und stehen dem freien Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung.

[1] AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 39.
[2] NJW 2000 S. 533.
[3] NZA 2004 S. 1389.
[4] NJW 2004 S. 3795.
[5] EzA-SD 2001, Nr. 6, 13.
[6] Zu den einzelnen Sozialauswahlkriterien und den Punkteschemata des BAG s. Rz. 834 ff.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge