Rz. 663

Eine Kündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn sie durch dringende betriebliche Bedürfnisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen, § 1 Abs. 2 Satz 1 3. Alt KSchG. Neben Umständen, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers begründet sind, können daher auch in der Arbeitgebersphäre liegende Gründe eine Kündigung sozial rechtfertigen.

4.1.1 Rechtsentwicklung

 

Rz. 664

Der soziale Rechtfertigungsgrund der dringenden betrieblichen Erfordernisse hat sich seit der ursprünglichen Fassung des Kündigungsschutzgesetzes 1951 nicht verändert. Bereits in dieser Fassung stellte der Gesetzgeber klar, dass das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers grds. hinter der betrieblichen Erforderlichkeit des Arbeitsplatzabbaus zurückzutreten hat. So ist in der Gesetzesbegründung ausgeführt, dass der Arbeitnehmer lediglich vor "solchen Kündigungen zu schützen sei, die hinreichender Begründung" entbehrten "und deshalb als willkürliche Durchschneidung des Bandes der Betriebszugehörigkeit" erscheinen.[2]

 

Rz. 665

Interessanter ist die Entwicklung, die in der Rechtsprechung zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der hinreichenden betriebsbedingten Gründe zu beobachten ist. Während die Rechtsprechung immer schon die unternehmerische Entscheidung zum Ausgangspunkt der Kontrolle nahm, differenzierte sie erst später zwischen außer- und innerbetrieblichen Gründen.[3] Das Erfordernis für eine Kündigung entsteht i. d. R. jedoch nicht allein und unmittelbar durch wirtschaftliche oder technische Entwicklungen, sondern erst durch die dadurch veranlasste Entscheidung des Arbeitgebers; nach überwiegender Auffassung steht daher nach wie vor die unternehmerische Entscheidung im Mittelpunkt der Betrachtung (BAG, Urteil v. 16.12.2012, 2 AZR 770/09[4]).

[1] Ausführlich Gabrys, § 1, Rz. 31 ff.
[2] RdA 1951 S. 63.
[4] ErfK/Oetker, 18. Aufl. 2018, § 1 KSchG, Rz. 213; v. Hoyningen-Huene/Linck/Krause, KSchG, 15. Aufl. 2013, § 1 KSchG, Rz. 718 f.; SPV/Preis, 11. Aufl. 2015, § 2 KSchG, Rz. 908; KDZ/Deinert, KSchR, 8. Aufl. 2011, § 1 KSchG, Rz. 360.

4.1.2 Zweck

 

Rz. 666

Die Vorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 1 3. Alt. KSchG ist das Ergebnis einer grundlegenden Abwägung zwischen dem Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes und der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers. Das Kündigungsschutzgesetz dient zwar vorrangig dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers. Gleichwohl bringt es die kollidierenden Grundrechtsinteressen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu einem verfassungsgemäßen Ausgleich (BVerfG, Urteil v. 24.4.1991, 1 BvR 1341/90[1]). Der Arbeitnehmer ist vor einem willkürlichen Arbeitsplatzabbau geschützt. Er muss aber einen grds. entschädigungslosen Arbeitsplatzverlust hinnehmen, wenn dringende betriebliche Bedürfnisse seiner Beschäftigung entgegenstehen.

[1] AP GG Art. 12 Nr. 70, NJW 1991 S. 1667; SPV/Preis, 11. Aufl. 2015, § 2 KSchG, Rz. 902.

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