Rz. 101

Erreicht der Arbeitnehmer eine bestimmte Altersgrenze, führt dies nicht automatisch zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Eine Kündigung durch den Arbeitgeber kann nicht allein auf das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze gestützt werden (vgl. § 41 Satz 1 SGB VI).

Ist eine betriebsbedingte Kündigung erforderlich, wird das Lebensalter im Rahmen der Sozialauswahl berücksichtigt (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG). Typischerweise sind ältere Arbeitnehmer mehr schutzbedürftig als jüngere Arbeitnehmer. Hat ein Arbeitnehmer aber bereits das Rentenalter erreicht und bezieht er sogar eine Altersrente, ist er – jedenfalls in Bezug auf dieses Auswahlkriterium – deutlich weniger schutzbedürftig (BAG, Urteil v. 27.4.2017, 2 AZR 67/16).

Es kann auch eine entsprechende Befristung im Arbeitsvertrag, in einer Betriebsvereinbarung (vgl. dazu BAG, Urteil v. 5.3.2013, 1 AZR 417/12) oder einem Tarifvertrag enthalten sein. Das BAG sieht die Altersgrenze nicht mehr als auflösende Bedingung an (vgl. BAG, Urteil v. 14.8.2002, 7 AZR 469/01). Die Altersgrenze ist vielmehr eine zeitliche Höchstbefristung.[1] Fraglich ist damit, ob die ordentliche Kündigung gem. § 15 Abs. 3 TzBfG ausgeschlossen ist, wenn die Kündigungsmöglichkeit nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Teilweise wird angenommen, es handle sich zwar um ein befristetes Arbeitsverhältnis, aber keines i. S. d. TzBfG, oder es sei als unbefristet anzusehen, sodass die ordentliche Kündigung ohne Weiteres möglich ist.[2] Nach anderer Ansicht greift jedenfalls die Kündigungsmöglichkeit gem. § 15 Abs. 4 TzBfG (Kündigung nach Ablauf von 5 Jahren mit einer Frist von 6 Monaten).[3]

 

Rz. 102

Um zu verhindern, dass das Kündigungsverbot gem. § 41 Satz 1 SGB VI umgangen wird, muss für die Befristung ein sachlicher Grund vorliegen. Das allgemeine Interesse des Arbeitgebers (er will z. B. eine zuverlässige Personalplanung und eine ausgewogene Altersstruktur, möchte Aufstiegschancen eröffnen und damit Leistungs- und Motivationsanreize setzen) hat Vorrang vor dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitnehmer durch den Bezug der Regelaltersrente wirtschaftlich abgesichert ist. Dabei kommt es nicht auf die konkrete wirtschaftliche Situation des Arbeitnehmers im Einzelfall an.[4]

 
Praxis-Beispiel

Folgende Regelung (§ 32 Abs. 1a BAT-KF a. F. mit Wirkung einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung) hat das BAG als wirksam angesehen, auch vor dem Hintergrund des § 10 Satz 3 Nr. 5, Sätze 1 und 2 AGG[5]:

"Das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, mit Ablauf des Monats, in dem die/der Mitarbeitende das Lebensalter zum Anspruch auf die Regelaltersrente (§ 35 SGB VI) erreicht hat."

Demgegenüber hat das BAG jedoch eine Betriebsvereinbarung beanstandet, die erstmals eine Befristung auf die Regelaltersgrenze ohne Übergangsregelung für rentennahe Jahrgänge einführte (BAG, Urteil v. 21.2.2017, 1 AZR 292/15[6]). Die Betriebsparteien sind nämlich wie der Gesetzgeber an das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes gebunden. Die rentennahen Arbeitnehmer profitieren kaum von den Vorteilen der Befristung, d. h. von der Verbesserung der Aufstiegschancen durch das altersbedingte Ausscheiden anderer Arbeitnehmer. Sie benötigen Schutz, um ihre Lebensplanung an die Neuregelung anzupassen. Es obliegt den Betriebsparteien, die rentennahen Jahrgänge zu bestimmen und Regelungen zu schaffen wie z. B. individuelle Verlängerungsmöglichkeiten, finanzielle Kompensation oder Hinausschieben bzw. Absehen von der Einführung einer Altersgrenze für diese Personengruppe.

 

Rz. 103

Nicht selten ist in einer Vereinbarung (Arbeits- oder Kollektivvertrag) eine Befristung exakt auf das 65. Lebensjahr vorgesehen. Das war früher unproblematisch, weil der Arbeitnehmer dann einen Anspruch auf die gesetzliche Rente hatte und seine Versorgung somit gesichert war. Die Altersgrenze für die Regelaltersrente wird aber in den Jahren 2012–2019 für Jahrgänge ab 1947 schrittweise vom 65. auf das 67. Lebensjahr erhöht. In dieser Übergangszeit kann nicht von einer einheitlichen Regelaltersgrenze ausgegangen werden, sondern diese ist vielmehr individuell für den einzelnen Arbeitnehmer zu ermitteln.[7] Insofern kann nunmehr eine zeitliche Lücke zwischen dem geplanten Ende des Arbeitsverhältnisses mit der Vollendung des 65. Lebensjahres und dem Zeitpunkt bestehen, zu dem der Arbeitnehmer die gesetzliche Rente beantragen kann.

Vereinbarungen, die vor dem 1.1.2008 geschlossen wurden, als die Parteien noch nicht absehen konnten, dass sich die Altersgrenze verschieben wird, können i. d. R. dahin ausgelegt werden, dass der Arbeitsvertrag nicht mit dem 65. Lebensjahr, sondern mit Erreichen der Altersgrenze für die Rente enden soll.[8] Die Parteien hatten seinerzeit einen nahtlosen Übergang vom Arbeitsverhältnis zur Rente vor Augen. Vereinbarungen, die ab dem 1.1.2008 geschlossen wurden, als bekannt war, dass sich die Altersgrenze verschieben wird, sind dagegen i. d. R. wörtlich zu nehmen.[9]

 

Rz. 104

Eine Vereinbarung, die abst...

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