Rz. 4

Darüber hinaus fordert die Vorschrift das Fehlen einer wirksamen Vergütungsvereinbarung zwischen den Parteien. § 612 Abs. 1 BGB ist daher nicht anwendbar, wenn eine Vergütung lediglich unangemessen ist, sondern nur in solchen Fällen, in denen weder durch Gesetz, Tarifvertrag oder einzelvertragliche Vereinbarung noch auf sonstiger Grundlage eine Vergütung festgelegt ist.

 
Hinweis

Ist eine Vergütung etwa wegen Verstoßes gegen das MiLoG[1] oder gegen Branchenmindestlöhne in Verordnungen nach dem AEntG bzw. AÜG oder gegen § 17 BBiG unwirksam, stellt dies keinen Anwendungsfall von § 612 Abs. 1 BGB dar. In diesen Fällen kann aber § 612 Abs. 2 BGB (analog, d. h. entsprechend) eingreifen.[2] Die Regelung gilt nach Ansicht des BAG indes beim sittenwidrigen Lohnwucher, also bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen dem Wert der Arbeitsleistung und der Vergütungshöhe. Ein wucherähnliches Geschäft ist nach § 138 Abs. 1 BGB gegeben, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen und weitere sittenwidrige Umstände, wie etwa eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag Begünstigten, hinzukommen. Liegt insofern ein Verstoß gegen § 138 BGB vor, schuldet der Arbeitgeber gem. § 612 Abs. 2 BGB die übliche Vergütung unter Zugrundelegung des tariflichen Stundenlohns ohne Zuschläge, Zulagen und Sonderleistungen. Bei arbeitsvertraglichen Vergütungsvereinbarungen ist der jeweils streitgegenständliche Zeitraum und der Umfang der täglichen Arbeitszeit des Arbeitnehmers maßgeblich.[3]

Gleiches gilt, wenn über die vertraglich geschuldete Tätigkeit hinaus eine Sonderleistung erbracht wird, die durch die vereinbarte Vergütung nicht abgegolten ist und weder einzelvertraglich noch tarifvertraglich geregelt ist, wie diese Dienste zu vergüten sind.[4] So kann auch bei der Begründung eines Praktikums – unabhängig davon, ob es unentgeltlich, nach §§ 26, 17 BBiG oder nach § 22 MiLoG vergütungspflichtig ist – ein Vergütungsanspruch für Dienstleistungen entstehen, der von dem Praktikumsverhältnis nicht gedeckt ist, sofern der Praktikant höherwertige Dienste verrichtet, als er im Rahmen des Praktikums zu erbringen hat.[5]

[2] BAG, Urteil v. 18.3.2014, 9 AZR 694/12, AP TzBfG § 4 Nr. 25; für die Anwendbarkeit von § 612 Abs. 2 BGB bei Verstößen gegen das MiLoG s. etwa Bayreuther, NZA 2014, 865 (str.); für untertarifliche Zahlungen oder aus tarifwidriger Vergütung BAG, Urteil v. 25.3.2021, 6 AZR 264/20, NZA 2021, 1048; zu unvollständigen Abreden BAG, Urteil v. 22.10.2020, 6 AZR 566/18, NZA 2021, 273-279.
[5] BAG, Urteil v. 10.2.2015, 9 AZR 289/13, AP BGB § 612 Nr. 77; ErfK/Preis, 22. Aufl. 2022, § 612 BGB Rz. 2.

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