Rz. 10

Nach § 293 BGB gerät der Gläubiger nur dann in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. § 294 BGB ordnet an, dass die vertraglich vereinbarte Leistung tatsächlich angeboten werden muss.[1] Voraussetzung ist aber nach der Rechtsprechung ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis.[2] Bei dem tatsächlichen Angebot handelt es sich um einen Realakt, der die Anwesenheit des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz erfordert, auf den aber die Vorschriften über Willenserklärungen nicht anzuwenden sind.[3] Von einem ordnungsgemäßen tatsächlichen Angebot ist auszugehen, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft in eigener Person, am rechten Ort, zur rechten Zeit und in der rechten Weise anbietet.[4] Erfüllungsort ist der konkrete Arbeitsplatz im Betrieb, an dem sich der Arbeitnehmer zu Dienstbeginn einzufinden hat. Dabei ist das Wegerisiko vom Arbeitnehmer zu tragen, selbst wenn der Arbeitgeber einen Werksbus zur Verfügung stellt.[5] Unter Umständen kann allein das Erscheinen am Arbeitsplatz noch nicht ausreichend sein, um ein tatsächliches Angebot des Arbeitnehmers anzunehmen, wenn daraus für den Arbeitgeber nicht mit hinreichender Eindeutigkeit erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer tatsächlich arbeiten möchte.[6] Ebenso wenig genügt das Anbieten einer Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses gem. § 74 SGB V, da dieses nicht Teil des Arbeitsverhältnisses ist, sondern ein eigenständiges Vertragsverhältnis, das auf die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und nicht auf den Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtet ist.[7] Leiharbeitnehmer haben dem Verleiher ihre Arbeitsleistung anzubieten, da sie nur ihm ihre Dienste schulden. Allgemein wird aber ein Angebot an den Entleiher als ausreichend angesehen.[8]

 
Hinweis

Nach § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG kann das Recht des Leiharbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug des Verleihers nicht durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden. Für Zeitarbeitsunternehmen gehört es zum typischen Risiko, bei fehlenden Einsatzmöglichkeiten trotzdem das vertraglich vereinbarte Entgelt fortzahlen zu müssen, was in dieser Form in anderen Arbeitsverhältnissen nicht besteht.[9]

[3] HWK/Krause, § 615 BGB, Rz. 27; zweifelnd hinsichtlich der Rechtsnatur Staudinger/Feldmann, § 294 BGB, Rz. 15, aber jedenfalls sei § 130 BGB nicht anwendbar.
[4] BAG, Urteil v. 14.10.2020, 5 AZR 649/19, AP § 615 BGB Nr. 160; BAG, Urteil v. 28.6.2017, 5 AZR 263/16, NZA 2017, 1528; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 1.3.2018, 5 Sa 399/17, BeckRS 2018, 7890; ErfK/Preis, § 615 BGB, Rz. 18; MünchKomm/Henssler, § 615 BGB, Rz. 18
[8] Bamberger/Roth/Hau/Poseck/Fuchs/Baumgärtner, § 615 BGB, Rz. 17; differenzierend MünchArbR/Tillmanns, § 76, Rz. 23; s. auch Boemke, BB 2006, 997.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge