Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame einseitige Verrechnung von Nichteinsatzzeiten mit vorhandenen Plusstunden im Arbeitszeitkonto einer Leiharbeitnehmerin. Klage einer Leiharbeitnehmerin auf Gutschrift unberechtigt verrechneter Nichteinsatzzeiten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der zwischen den BZA und den Mitgliedsgewerkschaften des DGB abgeschlossene MTV Zeitarbeit vom 22.07.2003 erlaubt es nicht, auf ein Arbeitszeitkonto vorhandene Plusstunden mit Minusstunden zu verrechnen, die sich deswegen ergeben, weil für den Arbeitnehmer keine Einsatzmöglichkeiten bestehen.

2. Regelungen, die es dem Verleiher ermöglichen, in verleihfreien Zeiten einseitig das Arbeitszeitkonto abzubauen, sind unwirksam.

 

Normenkette

AÜG § 11 Abs. 4 S. 2; TVG § 1; BGB § 615 S. 1, § 134

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 06.03.2014; Aktenzeichen 18 Ca 18341/12)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 6. März 2014 - 18 Ca 18341/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob Nichteinsatzzeiten der Klägerin in ihrem Arbeitszeitkonto mit vorhandenen Plusstunden verrechnet werden dürfen.

Die Klägerin ist bei der Beklagten, die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung betreibt, seit dem 04.08.2009 als Sachbearbeiterin Buchhaltung in Berlin beschäftigt. Sie erhält unabhängig vom tatsächlichen Arbeitsumfang eine regelmäßige monatliche Vergütung auf Basis einer mit ihr arbeitsvertraglich vereinbarten monatlichen Arbeitszeit von 162,5 Stunden, was einer wöchentlichen Arbeitszeit von 37,5-Stunden entspricht.

Im Monat Mai 2012 betrug der Saldo des Arbeitszeitkontos der Klägerin plus 42,41 Stunden. Folgende von der Klägerin geleistete Stunden führten nicht zu einer Erhöhung des Guthabens auf dem Arbeitszeitkonto, weil die Beklagte in erheblich höherem Umfang Zeiten, in denen sie die Klägerin nicht einsetzen konnte, als Minusstunden im Arbeitszeitkonto verbuchte:

52,5 Stunden

11.06.2012 - 19.06.2012

60 Stunden

22.10.2012 - 31.10.2012

16,46 Stunden

Dezember 2012 - März 2013

3 Stunden

02.09.2013 - 06.09.2013

Seit Oktober 2012 wiesen die Verdienstabrechnungen der Klägerin durchgängig bis mindestens September 2013 einen Saldo von -37,5 Stunden auf. Im November 2012 wurde die Klägerin gar nicht beschäftigt. Bei der Beklagten ist es üblich, nicht mehr als 37,5 Minusstunden in das Arbeitszeitkonto einzustellen.

In dem zwischen den Parteien unter dem 3. August 2009 geschlossenen Arbeitsvertrag ist Folgendes geregelt:

"§ 1 Tarifvertrag

Auf den Arbeitsvertrag finden die vom Bundesverband Zeitarbeit mit der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit abgeschlossenen geltenden oder nachwirkenden Mantel-, Entgelt- und Entgeltrahmentarifverträge vom 22.07.2003 in der jeweils geltenden Fassung, im folgenden MTV BZA, ETV BZA und ERTV BZA genannt, Anwendung.

...

§ 6 Arbeitszeit, Dauer, Verteilung der Arbeitszeit/Flexibilisierung/Arbeitszeitgesetz

Die Regelung der Arbeitszeit erfolgt auf der Grundlage des § 4 MTV BZA.

1. Als individuelle regelmäßige monatliche Arbeitszeit werden im Sinne von § 2 MTV BZA 162,50 Stunden monatliche Arbeitszeit vereinbart. Dies entspricht einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 37,50 Stunden. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit vorübergehend auf bis zu 40 Stunden zu erhöhen.

...

3. Die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit richtet sich nach den Gegebenheiten im Kundenbetrieb des Arbeitgebers. Im Rahmen der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit hat der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen.

4. Gemäß § 4.2 MTV BZA richtet der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Arbeitszeitkonto ein, auf dem Plus- und Minusstunden erfasst werden. Plus- und Minusstunden sind die von der individuellen regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit abweichenden Arbeitsstunden.

5. Der Ausgleich des Arbeitszeitkontos richtet sich nach § 4.5 MTV BZA.

6. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, im zumutbaren und rechtlich zulässigen Umfang Mehrarbeit im Sinne von § 6 MTV BZA zu leisten....

§ 7 Vergütung

1. Entsprechend der vorgenannten Tätigkeit des Arbeitnehmers erfolgt eine Eingruppierung des Arbeitnehmers gemäß ERTV BZA in die Entgeltgruppe 3. Hiernach beträgt der Stundenlohn derzeit 8,15 €.

2. Daneben erhält der Arbeitnehmer eine übertarifliche Zulage in Höhe 0,35 € brutto.

...

4. Als Lohn-/Gehaltsabrechnungszeitraum gilt der Kalendermonat. Die Abrechnung wird im Folgemonat erstellt und hiernach dem Arbeitnehmer bis spätestens zum 15. Banktag auf ein von ihm benanntes und auf seinen Namen lautendes Konto überwiesen.

...

§ 20 Ausschlussfristen

Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind gemäß § 16 MTV BZA innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten (bei Ausscheiden einen Monat) nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen.

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch schriftlich ab, so muss der Anspruch innerhalb von einem Monat nach der Ablehnung bzw. dem Fristab...

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