Rz. 7
Allgemein betont das BAG auch für den Fall der Kündigung während der Wartezeit, dass die Umstände, die im Rahmen des § 1 KSchG zu würdigen sind und die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt erscheinen lassen können, als Verstöße gegen Treu und Glauben nicht in Betracht kämen; eine Kündigung verstoße nur dann gegen § 242 und sei nichtig, wenn sie aus Gründen, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind, Treu und Glauben verletze (BAG, Urteil v. 22.5.2003, 2 AZR 426/02[1]). Eine Kündigung kurz vor Ablauf der Wartezeit ist grds. nicht treuwidrig.[2] Selbst eine Kündigung, die der Arbeitgeber am letzten Tag der Wartezeit wenige Stunden vor Feierabend und 7 Stunden vor Ablauf der Wartezeit ausspricht, kann nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände als treuwidrig angesehen werden (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 24.6.2008, 5 Sa 52/08[3]).
Rz. 8
Der Arbeitnehmer, dem vor der Erfüllung der 6-monatigen Wartezeit gekündigt wird, kann aber den allgemeinen Kündigungsschutz ausnahmsweise dann in Anspruch nehmen, wenn durch die Kündigung der Eintritt des allgemeinen Kündigungsschutzes vereitelt werden soll (vgl. § 162 Abs. 1 BGB); diese Folge tritt jedoch dann nicht ein, wenn der Arbeitgeber aus einem sachlichen Grund kündigt, der nicht notwendig den Anforderungen an eine sozial gerechtfertigte Kündigung genügen muss (BAG, Urteil v. 28.9.1978, 2 AZR 2/77[4]). Ein solcher Ausnahmefall wurde angenommen, wenn der Arbeitnehmer nach Art. 33 Abs. 2 GG mit Ablauf der Wartezeit einen Einstellungsanspruch gehabt hätte (BAG, Urteil v. 12.3.1986, 7 AZR 20/83[5]). Nicht schon jede kurz vor Erfüllung der Wartezeit ausgesprochene Kündigung kann daher als treuwidrige Vereitelung des Eintritts des Kündigungsschutzes angesehen werden. Der Rechtsgedanke des § 162 Abs. 1 BGB greift nicht schon dann ein, wenn der Arbeitgeber bereits während der Wartezeit kündigt, obwohl dies zur Wahrung der nach Gesetz oder Vertrag zu beachtenden Kündigungsfrist nicht erforderlich gewesen wäre. Eine analoge Anwendung des § 162 Abs. 1 BGB kommt erst dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber die Kündigung nur deshalb vor Ablauf der 6-monatigen Wartefrist erklärt, um den Eintritt des Kündigungsschutzes zu verhindern und wenn dieses Vorgehen unter Berücksichtigung der im Einzelfall gegebenen Umstände gegen Treu und Glauben verstößt (BAG, Urteil v. 18.8.1982, 7 AZR 437/80[6]). Das BAG führte zur Begründung an, dass der Arbeitgeber während der gesamten Wartefrist frei kündigen könne und im Interesse der Rechtssicherheit eine gesetzlich festgelegte Frist genau beachtet werden müsse.
Diskriminierende Kündigungen können, wenngleich nicht gem. § 242 BGB, sondern gem. § 134 BGB i. V. m. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG, außerhalb der Geltung des allgemeinen Kündigungsschutzes unwirksam sein (BAG, Urteil v. 19.12.2013, 6 AZR 190/12[7]). § 2 Abs. 3 AGG stehe nicht entgegen, weil die Vorschrift nur das Verhältnis zum KSchG und zu den speziell auf Kündigungen zugeschnittenen Bestimmungen regele. So erwies sich die Kündigung eines symptomlos HIV-infizierten Arbeitnehmers während der Wartezeit als unwirksam, da sich die Infektion als Behinderung i. S. v. § 1 AGG darstellte (BAG, Urteil v. 19.12.2013, 6 AZR 190/12[8]). Auch eine außerhalb des Geltungsbereichs des KSchG ausgesprochene Kündigung ist gem. § 134 BGB i. V. m. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG nichtig, wenn sie etwa wegen der beabsichtigten Durchführung einer In-vitro-Fertilisation und der damit einhergehenden Möglichkeit einer Schwangerschaft erklärt wird (BAG, Urteil v. 26.3.2015, 2 AZR 237/14[9]).
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