Entscheidungsstichwort (Thema)

Mobbing im Arbeitsrecht. Darlegungs- und Beweislast für Mobbing. Keine Beweiserleichterung für Mobbing nach § 22 AGG. Schadensersatzanspruch wegen Verlusts des Arbeitsplatzes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen können die Würde des Arbeitnehmers verletzen und einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts auslösen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Systematik und Zielsetzung der Mobbing-Handlungen bezwecken und bewirken, dass ein von Beleidigungen oder Erniedrigungen gekennzeichnetes Arbeitsumfeld geschaffen wird.

2. Nach allgemeinen Grundsätzen ist der Kläger für die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig. Er muss im Rechtsstreit die einzelnen Handlungen oder Maßnahmen, aus denen er die angebliche Pflichtverletzung herleitet, konkret unter Angabe von Zeit und Ort bezeichnen und gegebenenfalls mit den Beweisarten der ZPO untermauern.

3. § 22 AGG bietet für die Geltendmachung eines Anspruchs aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1, Art. 2 Abs. 1 GG keine Erleichterung in der Darlegungs- oder Beweislast. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut des § 22 AGG greift diese Vorschrift ausschließlich dann, wenn eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes im Raum steht.

4. Als Anspruchsgrundlage für einen Schadensersatz wegen Verlusts des Arbeitsplatzes kommt § 628 Abs. 2 BGB in Betracht, sofern der andere Vertragsteil durch ein schuldhaftes rechtswidriges Verhalten den Anlass zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben hat. Der Anspruch setzt eine Vertragsverletzung voraus. Erforderlich ist ein Auflösungsverschulden mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB.

 

Normenkette

GG Art. 1, 2 Abs. 1; AGG §§ 1, 22; GewO § 109; BGB § 626 Abs. 1, § 628 Abs. 2, §§ 630, 823 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Nordhausen (Entscheidung vom 28.02.2020; Aktenzeichen 4 Ca 881/19)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 28.02.2020 - 4 Ca 881/19 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung von Schmerzensgeld und Entschädigung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes sowie um Überstundenvergütung und Zeugnisberichtigung.

Die Klägerin war vom 01.08.2009 bis zum 31.07.2019 aufgrund Arbeitsvertrages vom 13.06.2012 (Bl. 19-20 d.A.) als Pflegekraft in einem Altenpflegeheim der Beklagten beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages fanden auf das Arbeitsverhältnis die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes" (AVR) Anwendung.

Am 11.10.2018 suchte die Klägerin die Pflegedienstleiterin (PDL) A... auf, um über die Zuteilung eines freien Sonntags im Oktober 2018 zu sprechen. Die PDL war zu diesem Zeitpunkt mit der Bearbeitung eines Notfalls beschäftigt. Der Inhalt der sich in dieser Situation ergebenden verbalen Auseinandersetzung ist zwischen den Parteien streitig. Streitig ist auch der genaue Inhalt eines auf Initiative der PDL erfolgten Telefonats mit der Klägerin am 15.10.2018. Die Klägerin erkrankte ab dem 15.10.2018 und erlangte bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.07.2019 ihre Arbeitsfähigkeit nicht wieder.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.10.2018 (Bl. 47 d.A.) ließ die Klägerin im Vorfeld eines geplanten Personalgesprächs mitteilen, sie sehe Klärungsbedarf u.a. in Bezug auf die organisatorische Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses sowie zur Herstellung eines förderlichen Betriebsklimas, würde jedoch ihre Arbeit auch in Zukunft sehr gerne fortsetzen. Am 07.11.2018 kam es zu einem Personalgespräch, an dem neben der Klägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten auch der Heimleiter, die PDL und die Prozessvertreterin der Beklagten teilnahmen. Zu einer im Rahmen dieses Gesprächs angedachten Beendigung des Arbeitsverhältnisses kam es zunächst nicht. Noch mit Schreiben vom 21.11.2018 (Bl. 50 d.A.) versicherte die Klägerin, sie werde unverzüglich nach Wiederherstellung ihre Arbeitsfähigkeit den Dienst wieder antreten. Im gleichen Schreiben machte die Klägerin Vergütung von Überstunden und Überstundenzuschlägen nach AVR geltend. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen. Als über die im Schreiben vom 21.11.2018 angesprochenen Punkte keine Einigkeit erzielt werden konnte, rief die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 10.12.2018 (Bl. 54 d.A.) die Schlichtungsstelle des B...verbandes an. An der mündlichen Verhandlung vor der Schlichtungsstelle am 23.01.2019 nahm der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, nicht jedoch die Klägerin selbst teil. Ausweislich des Sitzungsprotokolls (Bl. 21-22 d.A.) einigte man sich vor der Schlichtungsstelle unter anderem darauf, dass Überstunden nebst Zuschlägen für den Zeitraum vom 31.10.2018 rückwirkend für 6 Monate an die Klägerin zu zahlen seien. Die Beklagte verpflichtete sich in diesem Zusammenh...

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