0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

§ 6 in seiner ursprünglichen Fassung trat durch das Pflege-Versicherungsgesetz (PflegeVG) v. 26.5.1994 (BGBl. I. S. 1014) zum 1.1.1995 in Kraft. Abs. 1 und 2 wurden durch Art. 10 des SGB IX v. 19.6.2001 (BGBl. I S. 1046), in Kraft ab 1.7.2001, geändert. Es handelt sich um Änderungen zur Anpassung an den Sprachgebrauch des SGB IX.

1 Allgemeines

 

Rz. 1a

§ 6 fordert von den Versicherten, in Eigenverantwortung darauf hinzuwirken, dass Pflegebedürftigkeit gar nicht erst eintritt (Abs. 1), und nach Eintritt daran mitzuwirken, dass dieser Zustand überwunden oder gemindert wird oder sich zumindest nicht verschlimmert (Abs. 2). Das präventiv eigenverantwortliche Handeln nach Abs. 1 ist dabei vom Gesetzgeber als Sollvorschrift ausgestaltet worden, wohingegen das Gegenwirken bei bereits eingetretener Pflegebedürftigkeit nach Abs. 2 dem Pflegebedürftigen als verpflichtende Handlung abverlangt wird.

2 Rechtspraxis

2.1 Mitwirkungspflichten

 

Rz. 2

In Anlehnung an § 1 SGB V werden die Versicherten in Abs. 1 angehalten, durch gesundheitsbewusste Lebensführung, durch frühzeitige Beteiligung an Vorsorgemaßnahmen und durch aktive Mitwirkung an Krankenbehandlung und medizinischer Rehabilitation Pflegebedürftigkeit möglichst zu vermeiden.

 

Rz. 3

Abs. 2 erlegt den Pflegebedürftigen hingegen eine Pflicht auf. Die Pflegebedürftigen müssen nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit in der im Gesetzestext geschilderten Weise ihrem Zustand entgegenwirken.

2.2 Folgen fehlender Mitwirkung

 

Rz. 4

Ein Verstoß gegen die in Abs. 1 normierte Erwartung des Gesetzgebers bleibt nach allgemeiner Auffassung sanktionslos. § 66 SGB I findet keine Anwendung. Bei einem Verstoß gegen die in Abs. 2 normierten Pflichten hingegen richten sich die Folgen fehlender Mitwirkung ausweislich der Gesetzesbegründung nach § 66 Abs. 2 SGB I (vgl. BR-Drs. 505/93). § 66 Abs. 2 SGB I bezieht sich zwar nach seinem Wortlaut auf die Mitwirkungspflichten nach §§ 62 bis 65 SGB I, § 6 Abs. 2 geht diesen Normen indes als lex specialis vor und § 66 Abs. 2 SGB I nennt ausdrücklich den Bezug von Sozialleistungen bei Pflegebedürftigkeit als einen Tatbestand, der sanktionsrelevante Mitwirkungspflichten auslöst.

 

Rz. 5/6

(unbesetzt)

2.3 Versagen und Entziehen der Leistung

 

Rz. 7

Eine Versagung oder Entziehung von Sozialleistungen ist nur unter den strengen Voraussetzungen des § 66 SGB I zulässig, und selbst wenn diese Voraussetzungen vorliegen, hat der Leistungsträger einen Ermessensspielraum, um besonderen und nicht voraussehbaren Umständen des Einzelfalles gerecht werden zu können. Holt der Antragsteller oder Leistungsberechtigte seine Mitwirkungspflichten nach und liegen die Leistungsvoraussetzungen vor, kann der Leistungsträger Sozialleistungen, die er nach § 66 SGB I versagt oder entzogen hat, nach § 67 SGB I nachträglich ganz oder teilweise erbringen.

 

Rz. 8/9

(unbesetzt)

 

Rz. 10

Eine Versagung von Leistungen bei Pflegebedürftigkeit dürfte wegen der Hinweispflicht der Pflegekasse nach § 66 Abs. 3 SGB I im Regelfall nicht in Betracht kommen. Versagung bedeutet die Nichtgewährung einer Leistung auf einen erstmaligen Antrag hin. Auf den Leistungsantrag hin wird die Pflegekasse indessen regelmäßig allein die Leistungsvoraussetzungen prüfen und bejahendenfalls die Leistung bewilligen, nicht aber schon Versagungsmöglichkeiten in Betracht ziehen und einen betreffenden Hinweis nach § 66 Abs. 3 SGB I erteilen.

 

Rz. 11

Entziehung hingegen ist die Einstellung einer bereits laufenden Leistung. Sie ist in das Ermessen der Pflegekasse gestellt, was durch die Formulierung "... kann der Leistungsträger ..." zum Ausdruck kommt. Die Pflegekasse hat im Anwendungsfall von dem Zweck der Ermächtigung Gebrauch zu machen, so dass eine Entziehung nur insoweit in Betracht kommt, als der Pflegebedürftige durch sein mangelndes Mitwirken den von medizinischer Seite eingeschätzten und voraussichtlichen Erfolg einer Maßnahme erschwert oder gar verhindert.

2.4 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

Rz. 12

In der amtlichen Begründung (BT-Drs. 7/868) zu § 66 SGB I heißt es: "§ 66 regelt die Sanktionen für die Verletzung der Mitwirkungspflichten des Antragstellers oder Leistungsberechtigten nach rechtsstaatlichen und sozialpolitischen Gesichtspunkten. Er beruht auf dem Grundsatz der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit sowie der Kausalität zwischen der Verletzung von Mitwirkungspflichten und den daran anknüpfenden Einschränkungen von Sozialleistungen." Die Pflegekasse hat danach den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. So darf eine nicht auf Verschulden beruhende Verletzung der Mitwirkungspflicht nicht geahndet werden. Die Art der Sanktionsmittel muss sich ggf. des Weiteren nach dem Grad des Verschuldens richten. Es wird z. B. eine vorsätzliche und grundlose Weigerung an der Teilnahme einer erfolgversprechenden Maßnahme anders zu beurteilen sein als eine unregelmäßige Teilnahme.

2.5 Anhörung

 

Rz. 13

Beabsichtigt die Pflegekasse die Festsetzung eines ihr erlaubten Sanktionsmittels, hat sie dem Betroffenen nach § 24 SGB X Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Sie erlässt mit der Festsetzung einen Verwaltungsakt, der in die Rechte des Betroffenen eingreift, und nimmt damit eine Verschiebung der bis...

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