Rz. 22

Mit dem Inkrafttreten des PSG II zum 1.1.2017 (vgl. Rz. 3c) hat der Gesetzgeber in Abs. 2 Satz 2 den 2. Halbsatz (der Anspruch umfasst verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen auch in den Fällen, in denen dieser Hilfebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§ 14 und 15 SGB XI zu berücksichtigen ist) gestrichen. Damit wird ein Nebeneinander von Leistungen nach dem SGB V und SGB XI im Hinblick auf die früheren, zur Behandlungspflege gezählten verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen vermieden (Rixen, in: Becker/Kingreen, SGB V, 7. Aufl. 2020, § 37 Rz. 9). Die Streichung stellt klar, dass insoweit kein Anspruch auf Behandlungspflege gemäß § 37 mehr besteht (BT-Drs. 18/5926 S. 148). Mit dem Gesetz hat der Gesetzgeber nämlich den Pflegebedürftigkeitsbegriff neu ausgerichtet und ein neues Begutachtungsassessment zur Feststellung von Pflegegraden auf Basis der Schwere der Beeinträchtigung der Selbstständigkeit anstelle der bisherigen verrichtungsbezogenen Ermittlung des Hilfebedarfs und damit des Zeitaufwands für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege eingeführt. Die ursprüngliche Legaldefinition in § 15 Abs. 3 Satz 3 SGB XI (a. F.) ist gestrichen worden, sodass der Bezug für die Regelung in § 37 Abs. 1 Satz 1 HS 2 entfallen ist. Der GKV-Spitzenverband hat unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der Bundesverbände der Pflegeberufe, der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, der kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene, der Bundesverbände privater Alten- und Pflegeheime sowie der Verbände der privaten ambulanten Dienste und unter beratender Mitwirkung der auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe der pflegebedürftigen und behinderten Menschen am 15.4.2016 Richtlinien zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit sowie zur pflegefachlichen Konkretisierung der Inhalte des Begutachtungsinstruments nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuches (Begutachtungs-Richtlinien – BRi) beschlossen. Diese Richtlinien gelten für alle Anträge auf Leistungen der Pflegeversicherung, die ab 1.1.2017 gestellt werden. Da bei der Ermittlung der jeweiligen Pflegegrade der Zeitaufwand nicht berücksichtigt wird, dürften sich die früheren dargestellten Probleme jedenfalls nicht mehr im Hinblick auf die zeitliche Abgrenzung stellen (zur etwaigen Überschneidung im Hinblick auf die Module 4 und 5 vgl. Padé, in: jurisPK-SGB V, § 37; für eine Vermutung zulasten der Pflegeversicherung insoweit Rixen, a. a. O., Rz. 11).

 

Rz. 23

Zur Umsetzung der Rechtsprechung des BSG zum Nebeneinander von Behandlungspflege und verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen hat der GKV-Spitzenverband unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen auf der Grundlage von § 17 Abs. 1b SGB XI am 16.12.2016 die Richtlinien zur Feststellung des Zeitanteils beschlossen, für den die Pflegeversicherung bei ambulant versorgten Pflegebedürftigen, die einen besonders hohen Bedarf an behandlungspflegerischen Leistungen haben und die Leistungen der häuslichen Pflegehilfe nach § 36 SGB XI und der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 SGB V beziehen, die hälftigen Kosten zu tragen hat (Kostenabgrenzungs-Richtlinien nach § 17 Abs. 1b SGB XI, veröffentlicht auf der Homepage des GKV-Spitzenverbandes im Internet unter https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/pflegeversicherung/richtlinien__vereinbarungen__formulare/rahmenvertraege__richlinien_und_bundesempfehlungen/2017_Pflege-Kostenabgrenzungs_Rie_Li_17Abs1bSGBXI.pdf).

Da die Regelungen der §§ 14, 15 SGB XI keine zeitorientierte und verrichtungsbezogene Begutachtung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit mehr vorsehen, wird der durch die Pflegeversicherung zu tragende Anteil pauschal festgelegt. Dabei wird jedem Pflegegrad ein bestimmter Minutenwert zugeordnet, für den die Pflegeversicherung aufzukommen hat. Grundlage hierfür sind die den Kranken- und Pflegekassen in 2016 vorliegenden Daten (sog. "Bestandsfälle") bezogen auf die Zeitaufwände der "reinen" Grundpflege unter Berücksichtigung der jeweils zuerkannten Pflegestufe. Die ermittelten Minutenwerte entsprechen den Zeitanteilen, die nach dem bis 31.12.2016 gültigen Verfahren vom verordneten zeitlichen Umfang der häuslichen Krankenpflege abzuziehen waren. Unter Beachtung der Überleitungsregelung nach § 140 Abs. 2 SGB XI wurden die ermittelten Zeitanteile der "reinen" Grundpflege je Pflegestufe auf die Systematik der Pflegegrade übertragen. Anschließend wurden je Pflegegrad Mittelwerte errechnet. Daraus ergeben sich die unter Ziff. 6 der Richtlinie dargestellten pauschalen Minutenwerte.

Durch das so entwickelte Verfahren wird sichergestellt, dass die bisherige leistungsrechtliche Zuordnung von Maßnahmen ...

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