Rz. 4

Diese Regelung gehört zu den umstrittensten des Reformgesetzes. Die Abs. 1 bis 3 regeln die Möglichkeit der bundesweiten Festsetzung von Festbeträgen. Die bei der Festsetzung zu berücksichtigenden Kriterien, die indessen oft nicht mehr als allgemeine Programmsätze sind, finden sich in Abs. 1 und Abs. 5 der Vorschrift.

 

Rz. 5

Die Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl. insbesondere die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 31, BT-Drs. 11/2237 S. 173) gingen davon aus, dass durch die Festsetzung solcher Festbeträge ein Anreiz für Versicherte geschaffen wird, preisgünstige Arznei- und Verbandmittel in Anspruch zu nehmen. Die Festbeträge sollen allerdings so bestimmt werden, dass eine in der Qualität gesicherte und wirtschaftliche Arzneimitteltherapie des Versicherten für das von ihm benötigte Arzneimittel gewährleistet ist, er sich also lediglich zwischen mehreren therapeutisch gleichwertigen Arzneimitteln für das preisgünstigste entscheiden soll. Dadurch, dass die Versicherten auf diese Weise selbst unmittelbar zum Nachfrager auf dem Markt werden, soll der Preiswettbewerb zwischen den konkurrierenden Arzneimittelherstellern verstärkt und diese veranlasst werden, überhöhte Preise abzusenken, um ihre Marktposition zu behaupten. Die Berücksichtigung nicht nur der Preisgünstigkeit, sondern auch der Qualität der miteinander konkurrierenden Produkte bei der Festsetzung der Festbeträge soll sicherstellen, dass der Versicherte ohne zusätzliche Kostenbelastung qualitativ vollwertige Produkte erhält und nicht auf so genannte Billigmedizin angewiesen ist. Entscheidet sich der Versicherte im Rahmen einer Gruppe, für die ein Festbetrag festgesetzt ist, für ein teureres Produkt, so hat er die Differenz zwischen Festbetrag und Preis dieses Produkts selbst zu tragen.

Das Festbetragsverfahren soll nach dem Willen des Gesetzgebers das im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung herrschende Wirtschaftlichkeitsgebot konkretisieren. Überversorgung und Unwirtschaftlichkeit als Folge von Steuerungsmängeln im System der gesetzlichen Krankenversicherung sollen eingeschränkt werden (vgl. BT-Drs. 11/2237 S. 133 ff.).

 

Rz. 5a

Nachdem erwartet werden musste, dass die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung im Gesamtjahr 2005 voraussichtlich um etwa 16 % und damit doppelt so hoch wie der von der Selbstverwaltung vereinbarte Zuwachs ansteigen würden, sah der Gesetzgeber bei Fortsetzung derartig hoher Ausgabenzuwächse in den Folgejahren die Beitragssatzstabilität gefährdet (BT-Drs. 16/194 S. 1). Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung (vgl. Rz. 3a) beabsichtigte der Gesetzgeber deshalb, die Arzneimittelversorgung besser als bisher am tatsächlichen medizinischen Versorgungsbedarf auszurichten. Medizinisch nicht notwendige Ausgabensteigerungen sollten vermieden werden. Die Änderungen auch des § 35 sind vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung zu sehen.

Nach wie vor stellt der Arzneimittelbereich (Stand: 2015) mit 36,3 Mrd. EUR und einem Anteil von 17,2 % nach dem Krankenhaussektor mit 73 Mrd. EUR (34,7 %) und der ambulanten ärztlichen Versorgung mit einem Volumen von 96,5 Mrd. EUR (17,4 %) den drittgrößten Ausgabensektor der gesetzlichen Krankenversicherung dar (zitiert nach https://www.vdek.com/presse/daten/d_versorgung_leistungsausgaben.html). Er hat damit nicht nur eine große Bedeutung für die finanzielle Situation der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern ist zugleich auch ein maßgebliches Instrument zur Sicherstellung der Gesundheitsversorgung. Das zwingt den Gesetzgeber, die Arzneimittelversorgung nicht nur bezahlbar, sondern auch innovativ und sicher auszugestalten. Dieser Zielsetzung, die Arzneimittelversorgung weiterhin auf hohem Niveau sicherzustellen und gleichzeitig die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zu erhalten, folgt das AMVSG u.a mit Änderungen in § 35 und § 35a (vgl. näher den Entwurf des Gesetzes in BT-Drs 18/10208; zur Kritik https://www.vfa.de/embed/stellungnahme-entwurf-bundesregierung-amvsg.pdf). Trotz aller Bemühungen ist zu konstatieren, dass die Ausgaben für Arzneimittel von 38,7 Mrd. EUR im Jahr 2018 auf zuletzt 48,4 Mrd. EUR im Jahr 2022 weiter gestiegen sind (vgl. zu Einzelheiten www.gkv-spitzenverband.de/service/zahlen_und_grafiken/gkv_kennzahlen/gkv_kennzahlen.jsp).

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