Rz. 28

Obwohl bereits mit dem Gesundheitsreformgesetz v. 20.12.1988 (BGBl. I S. 2477) die freiwillige oder Zwangsvereinigung von Ortskrankenkassen zu auch landesweiten Ortskrankenkassen möglich war, was durch das Gesundheitsstrukturgesetz v. 21.12.1992 (BGBl. I S. 2266) erheblich ausgeweitet wurde, ist erst im Zusammenhang mit der Einfügung des § 171a die Frage der Fusionskontrolle nach dem Gesetz über Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und das Entstehen einer marktbeherrschenden Stellung problematisiert worden. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/3100 S. 155) ist dazu ausgeführt: "Flankierende gesetzliche Regelungen, die verhindern, dass durch kassenartenübergreifende Fusionen wettbewerbsschädliche Monopolbildungen entstehen, sind nicht erforderlich. Auch Vereinigungen von Krankenkassen sind nach den Regeln der Fusionskontrolle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) durch das Bundeskartellamt zu prüfen. Das Bundeskartellamt hat bisher schon Vereinigungen von Krankenkassen daraufhin geprüft, ob sie zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung führen. Auch kassenartenübergreifende Fusionen wird es daraufhin überprüfen und bei Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung untersagen." Demgegenüber hatte der Bundesrat (BR-Drs. 755/06 S. 63) geltend gemacht, dass das GWB bislang bei der Fusion von Krankenkassen nicht angewendet worden sei, und gebeten die Anwendung des GWB auf Kassenfusionen ausdrücklich auszuschließen, zumal bereits § 69 SGB V als abschließende Regelung der Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern und den Krankenhäusern anzusehen ist, die sich auch auf die Rechte Dritter bezieht.

 

Rz. 29

Die Anwendbarkeit nationalen Kartellrechts auf die Fusion von Krankenkassen war bislang zu verneinen, denn die Krankenkassen üben keine nach Europa- oder Bundesrecht relevante Tätigkeit i. S. d. Wettbewerbsrechts aus (vgl. BVerfG, Beschluss v. 9.6.2004, 2 BvR 1248/03 und 2 BvR 1249/03, SozR 4-2500 § 266 Nr. 7; BSG, Urteil v. 22.6.2010, B 1 A 1/09 R, NZS 2011 S. 426), sondern erfüllen Aufgaben mit ausschließlich sozialem Charakter. Das galt, entgegen der Auffassung von Roth (GRUR 2007 S. 645), auch im Verhältnis zu freiwillig Versicherten, denn durch die mit der Fusion verbundene organisatorische Veränderung und das Entstehen einer neuen Krankenkasse wird und wurde deren Versicherungsstatus und damit die Möglichkeit des Wechsels zu einem privaten Versicherungsunternehmen weder erschwert noch sonst wettbewerbsrelevant verändert. Da Krankenkassen auch zwangsweise vereinigt werden können und vereinigt wurden (vgl. § 145 und Komm. dort) und letztlich sogar zu einer Krankenkasse vereinigt werden könnten (vgl. BVerfG, Beschluss v. 9.4.1975, 2 BvR 879/73, BVerfGE 39 S. 302), sprach dies dagegen, die organisatorische Maßnahme einer freiwillige Vereinigung von Krankenkassen als wettbewerbsrechtlich relevantes Verhalten anzusehen.

 

Rz. 29a

Durch die Einfügung von § 172a durch das Achte Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 26.6.2013 wurden mit Wirkung zum 30.6.2013 bei der freiwilligen Vereinigung von Krankenkassen die Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle nach dem Siebten Abschnitt des Ersten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen für entsprechend anwendbar erklärt. Daher finden diese Regelungen auch auf die Fälle der kassenartenübergreifenden Vereinigung Anwendung.

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