Entscheidungsstichwort (Thema)

Förderung einer Berufsausbildung im Ausland. besondere Dienlichkeit der Maßnahme für das Erreichen des Bildungsziels und die Beschäftigungsfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Frage, ob eine Auslandsausbildung besonders dienlich iS von § 62 Abs 2 Nr 2 SGB 3 ist, ist im gerichtlichen Verfahren voll überprüfbar; der Agentur für Arbeit ist diesbezüglich kein Beurteilungsspielraum eingeräumt.

2. § 62 Abs 2 Nr 2 SGB 3 ist unter Berücksichtigung des Wortlauts und des gesetzgeberischen Willens, der in der Änderung der Norm zum 1.1.2002 zum Ausdruck gekommen ist, nicht restriktiv auszulegen.

3. Von einer besonderen Dienlichkeit iS von § 62 Abs 2 Nr 2 SGB 3 kann im Allgemeinen zumindest dann ausgegangen werden, wenn in dem entsprechenden Berufszweig Auslandserfahrungen Vorbedingungen für eine Einstellung oder zumindest erhebliche Wettbewerbsvorteile bei der Einstellung oder beim beruflichen Fortkommen verschaffen.

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 2. August 2006 und der Widerspruchsbescheid vom 11. September 2006 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Berufsausbildungsbeihilfe ab 1. April 2006 nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB).

Der 1983 geborene Kläger nahm im Herbst 2001 eine Ausbildung zum Koch auf, die er im Frühjahr 2002 abbrach. Am 1. März 2003 begann er eine Ausbildung zum Bäcker, die er nach etwa einem Jahr abbrach. Am 20. Februar 2006 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung von BAB für die von ihm angestrebte Ausbildung zum Koch bei der Deutsch-Portugiesischen Industrie- und Handelskammer in Portugal. Vorgesehene Ausbildungsdauer war vom 1. April 2006 bis 30. September 2008. Die theoretische Ausbildung sollte im Berufsbildungszentrum der Deutsch-Portugiesischen Industrie- und Handelskammer an der Algarve, die praktische Ausbildung im Hotel Reid‚s Palace auf Madeira stattfinden. In den Antragsformularen gab der Kläger an, dass Unterkunft und Verpflegung während der Ausbildung zur Verfügung gestellt würden. Laut 6. Klausel des Ausbildungsvertrages hatte der Kläger einen monatlichen Betrag von 195,-- EUR während der gesamten Laufzeit der Ausbildung zu zahlen. Darüber hinaus fiel eine Einschreibegebühr von 525,-- EUR sowie eine Prüfungsgebühr von 280,-- EUR an.

Mit Bescheid vom 2. August 2006 lehnte die Beklagte die beantragten Leistungen ab mit der Begründung, die Voraussetzungen für eine Förderung im Ausland nach § 62 Abs 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) seien nicht erfüllt. Es sei auszuschließen, dass die Ausbildung zum Koch in Portugal für das Erreichen des Bildungsziels besonders dienlich sei. Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger ua damit, er könne die Begründung der Beklagten nicht nachvollziehen, da zB eine Kollegin aus Buxtehude von der Beklagten BAB bekomme. Die Ausbildung zum Koch in Verden habe er abgebrochen, weil er keine Fahrmöglichkeit gehabt habe. Der letzte Zug nach Langwedel sei um 23.05 Uhr gefahren, seine Arbeitszeit habe bis 23.00 Uhr gedauert, so dass er den Zug häufig nicht erreicht hätte. Er habe von seiner Mutter oft abgeholt werden müssen. Einen Führerschein habe er nicht besessen. Die Ausbildung zum Bäcker habe er abgebrochen, da er gemerkt habe, dass seine Leidenschaft dem Kochen gehöre. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte aus, es sei nicht erkennbar, dass die Ausbildung des Klägers in Portugal für das Erreichen des Ausbildungsziels besonders dienlich sei. Ausbildungsziel sei der erfolgreiche Abschluss der Berufsausbildung zum Koch. Auch in Deutschland gebe es genügend geeignete Ausbildungsstellen. Die Berufsausbildung in Portugal sei gegenüber einer Berufsausbildung in Deutschland zur Erreichung des Berufsabschlusses nicht dienlich. Es bestehe in keinerlei Hinsicht ein Vorteil der Berufsausbildung im Gastgewerbe in Portugal gegenüber der Berufsausbildung in Deutschland. Die Tatsache, dass der Kläger im Ausbildungsbetrieb untergebracht sei, rechtfertige eine Förderung ebenfalls nicht. Der Kläger habe keine Gründe dafür nennen können, weshalb in seinem Falle die Ausbildung im Ausland besonders dienlich für das Erreichen des Berufsabschlusses sein könnte. Der Hinweis auf andere Personen, die nach seiner Kenntnis BAB erhalten würden, könne keinen Einfluss auf die Entscheidung in seiner Leistungsangelegenheit haben.

Der Kläger hat am 10. Oktober 2006 Klage erhoben und trägt vor, er habe sein Ziel den Beruf des Kochs zu erlernen, nie aus den Augen verloren. Anfang 2006 habe er auf seine Nachfrage von einem Mitarbeiter der Beklagten die Broschüre “Europa Service„ erhalten, verbunden mit dem Hinweis, dass eine Ausbildung auch im Ausland denkbar sei. Die Beklagte habe ihm Reisekosten für die Teilnahme an einer entsprechenden Informationsver...

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