Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Leistungserbringungsrecht. Vergütungsvereinbarung. Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Verschweigen des Abschlusses eines Kreditvertrages über 50.000 Euro

 

Orientierungssatz

Sofern der Sozialhilfeträger die Einbeziehung der Kosten für den Anschluss eines Grundstücks an die öffentliche Wasserversorgung in den Investitionsbetrag von weiteren Kriterien wie der finanziellen Leistungsfähigkeit des Einrichtungsträgers hätte abhängig machen wollen, wäre es seine Aufgabe gewesen, diese Informationen vor einer Entscheidung vom Einrichtungsträger einzufordern. Hat er dies nicht getan, war der Einrichtungsträger auch nicht verpflichtet, den Abschluss eines Kreditvertrages über 50.000 Euro offenzulegen, und das Verschweigen dieses Kreditvertrages stellt keine arglistige Täuschung iS des § 123 Abs 1 BGB dar.

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Anfechtungserklärung des Beklagten gem. § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung vom 1. Oktober 2010 unwirksam ist und somit für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2011 die Vereinbarung gem. § 75 Abs. 3 SGB XII vom 28. Januar 2010/10. Februar 2010 fortbesteht.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, gegenüber dem Kläger einen Rückforderungsanspruch gem. Forderungsschreiben vom 10. November 2010 in Höhe von 16.651,82 € geltend zu machen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte die zwischen ihnen am 28. Januar 2010/10. Februar 2010 abgeschlossene Vergütungsvereinbarung gem. § 75 Abs. 3 SGB XII wirksam angefochten hat.

Der Kläger betreibt die Wohnstätte “S „ in Z, OT W. Dabei handelt es sich um eine Wohnstätte für geistig behinderte und geistig schwerstmehrfachbehinderte erwachsene Menschen; der Kläger begleitet, fördert und betreut diese Menschen ganzheitlich mit dem Ziel der Normalisierung und Individualisierung im Sinne einer sozialen Integration und Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.

Auf der Grundlage des zwischen den Beteiligten geschlossenen Rahmenvertrages nach § 79 Abs. 1 SGB XII schlossen die Beteiligten in der Vergangenheit jeweils Leistungs- Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen gem. § 75 Abs. 3 SGB XII. Für den Zeitraum vom 1. Juli 2009 bis zum 31. Dezember 2009 ergibt sich die Höhe der vereinbarten Vergütungssätze im Leistungstyp 5 für die einzelnen Hilfebedarfsgruppen aus Bl. 14 der Gerichtsakte.

Am 28. Januar 2010/10. Februar 2010 schlossen die Beteiligten mit Geltung ab dem 1. Januar 2010 eine neue Leistungs- Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung gem. § 75 Abs. 3 SGB XII ab. Gem. Ziffer 5 des Vertrages - Vereinbarungszeitraum/ordentliche Kündigung -, insbesondere Ziffer 5.2, war die Vergütungsvereinbarung seitens der Vertragspartner frühestens zum 31. Dezember 2011 mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende (Posteingang) kündbar. Bis zum Inkrafttreten einer neuen Vergütungsvereinbarung sollten die vereinbarten Vergütungssätze gem. § 77 Abs. 2 Satz 4 SGB XII weitergelten. Grund für den Abschluss der neuen Vereinbarung gem. § 75 Abs. 3 SGB XII war, dass der Kläger vom Zweckverband K vom Anschluss- und Benutzungszwang der öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung nicht befreit worden war und ihm mit Bescheid vom 5. Februar 2009 die Zahlung eines Anschlussbeitrages für die Wasserversorgung für das Grundstück S Weg , Flur , Flurstück in Höhe von 76.908,29 € (später mit Bescheid vom 13. Juli 2009 = 77.451,17 €) sowie mit Bescheid vom 13. Juli 2009 von 25.383,83 € für das Flurstück  auferlegt worden war; der Kläger konnte die fälligen Beträge beim K ausweislich der Stundungsbescheide (Bl. 150 ff. des Verwaltungsvorgangs - VV - des Beklagten) ratenweise abzahlen.

Nach einem Antrag des Klägers vom 1. Juli 2009 auf Einbeziehung der anfallenden Erschließungskosten in die Kostensätze bat der Beklagte mit Schreiben vom 16. Oktober 2009 den zuständigen Landkreis  die angefallenen Erschließungskosten zeitgleich mit der Entgeltfortschreibung in die Entgelte der W  W und der Wohnstätte “S „ einzustellen. Dies erfolgte mit der am 28. Januar 2010/10. Februar 2010 zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Leistungs- Vergütungs- und Prüfungsvereinbarung gem. § 75 Abs. 3 SGB XII mit Geltung ab dem 1. Januar 2010. Dabei war für die Wohnstätte “S  „ ein Betrag von 0,55 € pro Tag und Bewohner (= 5.121,33 € jährlich) in den Kostensatz eingerechnet worden.

Im Februar 2010 erhielt der Beklagte davon Kenntnis, dass die W - und W W gGmbH und auch die W  - und W  W GmbH (S  ) der H G  GmbH Kredite zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes gewährt hatten (Bl. 157 VV). Mit Schreiben vom 8. Juni 2010 forderte der Beklagte den Kläger auf, die Ausreichung der Kredite der Wohnstätte “S „ in Höhe von 10.000,00 € am 11. Juni 2006 und am 6. April 2009 von 50.000,00 € zu erklären. Ihm sei unklar, wie der Kläger einerseits Kredite an die Herberge G  gewähren könne und zugleich bei ihm die Einbeziehung von Kosten für den Anschluss an das öffentliche Tri...

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