Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. Einkommensgrenze des § 1 Abs 8 BEEG. Gesamteinnahmen eines Elternteils über 250.000 Euro bzw des Elternpaars über 500.000 Euro. Einberechnung einer einmaligen Abfindung. sonstige Bezüge. Verfassungsmäßigkeit. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. vorläufige Elterngeldfestsetzung. Rückforderungsbescheid. Vertrauensschutz

 

Orientierungssatz

1. Eine Sonderregel, die bestimmte Einkünfte bei der Berechnung des "zu versteuernden Einkommens" iS des § 1 Abs 8 S 1 BEEG herausnimmt, gibt es, anders als im Bereich der Elterngeldbemessung, nicht.

2. Daher ist eine einmalige Abfindung auch dann bei der Einkommenshöchstgrenze zu berücksichtigen, wenn sie bei der Berechnung des Elterngelds als sonstiger Bezug im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens nach § 2c Abs 1 S 2 BEEG ohne Relevanz bleiben würde.

3. Eine verfassungskonforme Auslegung im Sinne einer teleologischen Reduktion des § 1 Abs 8 BEEG dergestalt, dass eine Abfindung bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens nicht zu berücksichtigen ist, ist nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, weil der Anspruchsausschluss wegen Überschreitens der Einkommensgrenze bei Einrechnung der Abfindung nicht verfassungswidrig ist.

4. Einer Rückforderung ohne Vertrauensschutz nach § 42 Abs 2 S 2 SGB 1 steht nicht entgegen, dass die Elterngeldbehörde die Rückzahlungspflicht auf § 50 SGB 10 gestützt hat (vgl BSG vom 26.3.2014 - B 10 EG 4/13 R).

 

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 20.11.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.03.2015 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin bezogenes Elterngeld nach dem Bundesselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) in Höhe von 18.000 Euro zurückerstatten muss.

Die am XX.XX.1970 geborene, verheiratete Klägerin ist die Mutter des am 15XX.XX.2013 geborenen Kindes C.. Vor der Geburt ihres Sohnes war die Klägerin bis Ende Februar 2012 nichtselbstständig bei der Allianz AG, ab März 2012 freiberuflich als Organisationsberaterin erwerbstätig.

Auf den Antrag der Klägerin vom 02.07.2013 bewilligte der Beklagte ihr mit Bescheid vom 26.07.2013 antragsgemäß auf Grundlage des für das Kalenderjahr 2012 glaubhaft gemachten Einkommens aus nichtselbstständiger und freiberuflicher Erwerbstätigkeit Elterngeld für den dritten bis siebten sowie den neunten bis dreizehnten Lebensmonat ihres Sohnes (= Zeiträume 15.07.2013 bis 14.12.2013, 15.01.2014 bis 14.06.2014) in Höhe von 1.800 Euro. Die Bewilligung erfolgte gemäß § 8 Abs. 3, 1. Alt. BEEG vorläufig bis zum Nachweis des tatsächlichen Einkommens. Außerdem erfolgte die Bewilligung unter dem Vorbehalt des Widerrufs gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 BEEG für den Fall, dass entgegen den Angaben der Klägerin ihr Einkommen und ggf. das Einkommen des anderen Elternteils die Einkommensgrenze von 250.000 Euro bzw. 500.000 Euro überschreiten werde. Auf die Verpflichtung, das gezahlte Elterngeld nach § 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gegebenenfalls zurückzahlen zu müssen, wies der Beklagte hin.

Im November 2014 legte die Klägerin den Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 01.08.2013 vor, der ein zu versteuerndes Einkommen der Eheleute in Höhe von 804.641 Euro auswies. Die Klägerin trug erläuternd vor, dass in dem steuerpflichtigen Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 546.861 Euro eine Abfindung in Höhe von 482.080 Euro enthalten sei, die sie im März 2012 wegen des Ausscheidens aus der Allianz AG erhalten habe. Diese sei elterngeldrechtlich nicht relevant.

Der Beklagte hob mit auf § 48 SGB X gestütztem Bescheid vom 20.11.2014 die Elterngeldbewilligung der Klägerin aufgrund der Vorschrift des § 1 Abs. 8 Satz 2 BEEG auf. Der Klägerin stehe kein Elterngeld zu, weil das Familieneinkommen 500.000 Euro überschritten habe. Die bereits ausgezahlten Leistungen in Höhe von insgesamt 18.000 Euro seien nach § 50 SGB X zurückzuzahlen.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, dass das berücksichtigte Einkommen um die Abfindung bereinigt werden müsse. Ihr Ehemann und sie hätten dann ein Gesamteinkommen in Höhe von 322.509 Euro, was in etwa dem Einkommen in den Vorjahren seit der Eheschließung entspreche. Die Abfindung habe sie erhalten, da sie zur Abwendung einer betriebsbedingten Kündigung wegen Umstrukturierung eine Aufhebung des Arbeitsverhältnisses akzeptiert habe. Die Höhe der Abfindung ergebe sich daraus, dass sie bei der Allianz AG 14 Jahre tätig gewesen sei und sich eine Führungsposition erarbeitet habe. Es handele sich um ein einmaliges Überschreiten der Einkommensgrenze durch die Abfindung, die nicht “normales„ Einkommen sei. Einmalzahlungen seien im Übrigen beim Elterngeld nicht zu berücksichtigen.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2015 zurück und verwies darauf, dass Abfindungen gemäß § 2 Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerpflichtig und damit bei der Prüfung der Einkommensgrenze nach § 1 Abs. 8 BEEG zu berücksicht...

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