Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Quasi-Berufskrankheit. keine neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft. Riesenzelldystrophie. Balletttänzerin

 

Orientierungssatz

Zur Nichtanerkennung einer Riesenzelldystrophie einer Balletttänzerin als Quasiberufskrankheit gem § 9 Abs 2 iVm Abs 1 S 2 SGB 7 mangels Vorliegens neuer Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 25.04.2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten für beide Instanzen nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung einer Riesenzelldystrophie als Quasi-Berufskrankheit des Balletttänzers.

Die 1965 geborene Klägerin wurde schon während des Schulbesuchs zur Tänzerin ausgebildet, ab 1983 war sie in ihrem Beruf in D., ab 1992 in L. tätig. Am 26.03.1996 wurde bei ihr eine Ermüdungsfraktur am linken Unterschenkel diagnostiziert. Diese Gesundheitsstörung, die in der Folge auch aus Osteoidosteom, als Stressfraktur und als Periostose bezeichnet wurde, entwickelte sich zu einem chronischen Leiden. Nach lang andauernder Arbeitsunfähigkeit wurde ihr Arbeitsverhältnis 1999 gekündigt, die Klägerin war daraufhin arbeitslos, seit Januar 2001 wurde sie erfolgreich zur Physiotherapeutin umgeschult. Seitdem hat sie keine Beschwerden mehr im Bereich des linken Unterschenkels.

Die Schmerzen hatten sich schon ab Januar 1996 eingestellt. Im Januar war die Premiere von “Schwanensee" vorgesehen. Nach vorheriger längerer Pause kam es zu verstärktem Training in Vorbereitung dieser Premiere. Die Schmerzen im linken Unterschenkel, die mit einer Schwellung einhergingen, wurden zunächst physiotherapeutisch behandelt. Nachdem das Training nach zwei Wochen Pause wieder aufgenommen wurde, traten die Schmerzen erneut auf. Das Leiden wurde daraufhin mit Stoßwellentherapie und durch Entlastung mit Unterarmstützen behandelt. Nach einer Pause von ca. sechs Wochen nahm die Klägerin das Training nochmals auf, woraufhin sich die Schmerzen wieder einstellten. Sie wurde deswegen am 01.04.1997 in der Orthopädischen Klinik L. mit Anbohrung der ventralen Tibiakante links operiert. Eine histologische Untersuchung erbrachte keinen Anhalt für einen Tumor oder eine Entzündung. Nach einer Computertomographie wurde auch ein Osteoidosteom ausgeschlossen. Ein weiterer Trainingsversuch im September 1997 führte abermals zu Schmerzen, worauf eine zweite Operation vorgenommen wurde. Eine Röntgenkontrolle erbrachte einen physiologischen Durchbau, die Schmerzen ließen aber nicht nach.

Die DAK zeigte am 30.03.1999 eine “Periostose des linken Unterschenkels" als Berufskrankheit an. Ein Zusammenhang mit der beruflichen Belastung wurde ärztlicherseits (Stellungnahmen Prof. Dr. med. S1.vom 04.05.2000, Frau Dr. S2., Fachärztin für Orthopädie vom 10.07.2000) allgemein bejaht.

Mit Bescheid vom 15.11.2000 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankung der linken Tibia als Berufskrankheit ab. Die festgestellte Erkrankung sei in der Berufskrankheitenliste nicht enthalten. Auch eine Anerkennung nach § 9 Abs. 2 SGB VII komme nicht in Betracht, da keine gesicherten Erkenntnisse darüber existierten, dass die festgestellte Erkrankung durch die beruflichen Belastungen einer Tänzerin verursacht werden könnten.

Den Widerspruch vom 01.12.2000 begründete die Klägerin unter anderem damit, dass eine Fülle von wissenschaftlichen Beiträgen aus dem deutschsprachigen und angloamerikanischen Raum durchaus darauf hinweise, dass die berufsspezifischen Belastungen von Tänzern geeignet seien, Stressfrakturen der unteren Extremitäten zu verursachen. Angeheftet war eine Internetrecherche mit ca. 60 wissenschaftlichen Aufsätzen aus den 90er Jahren zu der genannten Problematik.

Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 15.05.2001 als unbegründet zurückgewiesen: Der Verordnungsgeber habe weder aus Anlass der Änderung der Berufskrankheitenverordnung im Oktober 1997 noch davor die Frage eines möglichen ursächlichen Zusammenhanges zwischen Erkrankungen an den Extremitäten, insbesondere im Bereich der Hüfte, der Kniegelenke, der Sprunggelenke, der Großzehengelenke sowie retropatellare Chondropathien und Belastungen sowie Überlastungen der Achillessehne und der Tätigkeit als Balletttänzerin geprüft. Zwischenzeitlich lägen keine neuen medizinischen Erkenntnisse über einen entsprechenden Zusammenhang zwischen der Tätigkeit als Bühnentänzer und den genannten Erkrankungen an den Extremitäten vor.

Die Klage zum Sozialgericht Leipzig wurde damit begründet, dass die Erkrankung sehr wohl berufsbedingt entstanden sei. Sie sei darauf zurückzuführen, dass im Vorfeld einer Premiere, in einer Zeit also mit deutlich höherer körperlicher Belastung und einem größeren Arbeits- und Zeitaufwand (Sprungtraining bis zu sieben Stunden) Training und Proben auf dem ungefederten Bühnenboden stattgefunden hätten.

Das Sozialgericht hat daraufhin ein medizinisches S...

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