Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe. Herbeiführung der Arbeitslosigkeit. wichtiger Grund. rechtswidrig empfundenes Arbeitgeberverhalten. Beseitigung des Grundes für die Eigenkündigung. Bemühung um Anschlussbeschäftigung. Fortsetzung des zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses. berufliche Neuorientierung

 

Leitsatz (amtlich)

1. An der rein tatsächlich vom Versicherten herbeigeführten eigenen Beschäftigungslosigkeit ändert der Umstand, dass er sich zunächst nicht arbeitssuchend gemeldet und kein Arbeitslosengeld beantragt hat, nichts. Denn es kommt nicht auf die Arbeitslosigkeit an, für die eine Leistung geltend gemacht wird, sondern auf die durch die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses herbeigeführte.

2. Unabhängig vom Vorliegen eines Verstoßes gegen arbeitsrechtliche, tarifvertragliche oder arbeitsvertragliche Regelungen durch den Arbeitgeber liegt ein wichtiger Grund jedenfalls erst dann vor, wenn der Arbeitnehmer erfolglos versucht hat, die ihn zur Kündigung veranlassenden Gründe zu beseitigen, oder wenn von vornherein nachweislich feststeht, dass ein solcher Versuch unzumutbar ist. Wenn danach festzustellen ist, dass ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses vorlag, ist weiter zu prüfen, ob sich der Arbeitslose hierauf auch berufen kann, ob er sich insbesondere hinreichend um eine Anschlussbeschäftigung bemüht hat (Anschluss an BSG vom 21.10.2003 - B 7 AL 92/02 R = SozR 4-4300 § 144 Nr 19).

3. Das allgemeine Interesse, sich beruflich weiterzubilden, neu zu orientieren und gegebenenfalls eine selbständige Tätigkeit vorzubereiten, wiegt nicht höher als das Interesse der Solidargemeinschaft, zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit dem Arbeitnehmer abzuverlangen, ein zumutbares Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen.

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 10. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis zum 25. März 2015 wegen Eigenkündigung festgestellten Sperrzeit.

Der am 1985 geborene Kläger ist ausgebildeter Bauingenieur und war zuletzt als Bauleiter für ein A... Bauunternehmen beschäftigt. Er kündigte das Arbeitsverhältnis am 20. Oktober 2014 zum 31. Dezember 2014, um sich für das Jahr 2015 eine "Auszeit" zu nehmen.

Der Kläger beantragte am 15. Oktober 2015 mit Blick auf einen begehrten Gründungszuschuss Arbeitslosengeld und meldete sich am 3. November 2015 rückwirkend zum 16. Oktober 2015 vom Leistungsbezug ab, um den Anspruch auf Gründungszuschuss zu erhalten.

Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 3. November 2015 bei einer Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen Arbeitslosengeld für den 15. Oktober 2015 in Höhe eines täglichen Leistungsbetrages von 32,07 EUR. Sie stellte gleichfalls mit Bescheid vom 3. November 2015 nach Anhörung eine Sperrzeit für die Zeit vom 1. Januar 2015 bis zum 25. März 2015 fest. Das Beschäftigungsverhältnis sei durch Eigenkündigung gelöst worden. Der Kläger habe voraussehen müssen, dass er dadurch arbeitslos werde. Der angegebene Grund, "eine persönliche Auszeit/Selbstbestimmung" nehmen zu wollen, habe den Eintritt einer Sperrzeit bei der Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft nicht abwenden können. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines wichtigen Grundes seien nicht erkennbar. Auch wenn die Gründe für die Kündigung subjektiv bedeutsam gewesen seien, liege ein wichtiger Grund nur vor, wenn die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses objektiv nicht mehr zugemutet werden könne. Die Sperrzeit dauere 12 Wochen und mindere die Dauer des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld um 90 Tage, das heißt um ein Viertel.

Mit E-Mail vom 9. November 2015 begründete der Kläger seinen Widerspruch gegen die festgestellte Sperrzeit damit, dass er bisher keinerlei Leistungen der Versichertengemeinschaft in Anspruch genommen habe und dies auch nicht vorhabe. Weiter trug er vor:

"Mit einer ständigen durchschnittlichen Arbeitszeit von 45 Stunden pro Woche, maximal 2 Wochen zusammenhängenden Urlaub im Jahr unter ausbeuterischen Überbelastung von jungen und ungebundenen Arbeitskräften (zu denen ich mich zählte) ist eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung meinerseits schlichtweg nicht gegeben gewesen. Ein Versprechen des Niederlassungsleiters in A..., mich ab 2014 in und um A... zu beschäftigen, wurde nicht eingehalten. Im Gegenteil, es erfolgte eine Versetzung in die Niederlassung nach S... Anfang 2014.

An eine Partnerschaft sowie Familienplanung (Kinder usw.) war unter o.g. Aspekten nicht zu denken. Daher meine Entscheidung, die Firma auf eigenen Wunsch zu verlassen.

Natürlich musste ich davon ausgehen, arbeitslos zu werden, dies habe ich auch nie geleugnet.

Aber wie zuvor erwähnt, habe ich der Versichertengemeinschaft hierdurch nicht geschadet."

Mit Bescheid vom 7. Dezember 2015 ...

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