Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhen des Arbeitslosengeldes. Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe. Anhörungspflicht. Abschluss eines Altersteilzeitvertrages im Blockmodell. wichtiger Grund. beabsichtigter nahtloser Übergang in die Altersrente. Prognose. maßgeblicher Zeitpunkt. geänderte Rentenpläne wegen nachträglicher Änderung der Rechtslage. abschlagsfreie Altersrente für langjährig Versicherte ab Vollendung des 63. Lebensjahres. versicherungswidriges Verhalten. unterlassene Rentenantragstellung. Fortwirken des wichtigen Grundes. fehlende Sanktionsregelung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Sperrzeitentscheidung ist keine bloße befristete Ablehnung eines Arbeitslosengeldantrages, sondern eine in die Rechtsposition des Klägers eingreifende Sanktionsentscheidung dafür, dass ein Arbeitsloser vorwerfbar seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt oder nicht an der Behebung der Arbeitslosigkeit mitgewirkt hat. Daraus folgt eine Pflicht zur Anhörung des Betroffenen vor dem Erlass einer Sperrzeitentscheidung.

2. Wenn für ein sperrzeitauslösendes Verhalten mehrere Zeitpunkte in Betracht kommen, ist dasjenige entscheidend, das kausal die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat.

3. Ein Lösen eines Beschäftigungsverhältnisses liegt begrifflich nicht vor, wenn ein befristetes Arbeitsverhältnis durch Zeitablauf endet, selbst wenn der Arbeitnehmer eine Verlängerung erwirken könnte.

4. Welche Gesichtspunkte für die anzustellende Prognose, ob objektiv von einem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben nach der Freistellungsphase der Altersteilzeit auszugehen ist, maßgebend sein können, ist gesetzlich nicht geregelt. Auch aus dem Regelungszusammenhang oder dem Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung lässt sich kein abschließender Kanon an maßgebenden Gesichtspunkten herleiten. Deshalb kommen auch gesundheitliche, familiäre oder persönliche Aspekte in Betracht.

5. Wenn einmal ein wichtiger Grund für die Arbeitsaufgabe bestanden hat, lassen spätere Willensentscheidungen des Arbeitnehmers, hier die Nichtbeantragung eine Altersrente, diesen nicht rückwirkend wieder entfallen.

6. Eine unterlassene Rentenantragstellung ist auf Grund der beschriebenen Begriffsdefinition kein "Lösen" eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne von § 159 Abs 1 S 2 Nr 1 Alt 1 SGB III.

7. Ein Sperrzeittatbestand, der das Aufrechterhalten einer Arbeitslosigkeit sanktionieren würde, besteht derzeit im SGB III nicht.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichtes Chemnitz vom 16. Juni 2016 aufgehoben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Sperrzeitbescheides vom 27. November 2015 und unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 27. November 2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 17. Dezember 2015 und 22. Dezember 2015, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2016, verpflichtet, dem Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit vom 1. Dezember 2015 bis zum 22. Februar 2016 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

II. Die Beklagte hat die notwendigen Ausgaben des Klägers in beiden Instanzen zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine Sperrzeitentscheidung der Beklagten für die Zeit vom 1. Dezember 2015 bis zum 22. Februar 2016 und die damit verbundene Minderung des Anspruches auf Arbeitslosengeld.

Der am 1953 geborene Kläger, der als Bauleiter beschäftigt war, schloss mit seiner damaligen Arbeitgeberin, der Q.... GmbH, am 18. Dezember 2006 einen "Vertrag über Altersteilzeit". Danach wurde "als mögliche Variante […] das Blockmodell (6 Jahre) angestrebt." Am 23. November 2009 schlossen beide einen "Altersteilzeitvertrag (Blockmodell)" (im Folgenden: Altersteilzeitvertrag). Der Altersteilzeitvertrag enthielt unter anderem folgende Regelungen:

"§ 1 Beginn und Ende der Altersteilzeit

1. Das am 16.04.2004 begründete Arbeitsverhältnis wird ab dem 01.12.2009 als Altersteilzeitverhältnis fortgeführt

2. Es endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, spätestens mit Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter sein 62. Lebensjahr vollendet, das heißt am 30.11.2015.

§ 2 Arbeitszeit

Der Arbeitnehmer leistet in der ersten Hälfte des Altersteilzeitverhältnisses, also vom 01.12.2009 bis 30.11.2012 seine bisherige Arbeitszeit von 37 Stunden wöchentlich. In der zweiten Hälfte, also vom 01.12.2012 bis 30.11.2015 ist er von der Arbeit freigestellt. Damit ergibt sich über die gesamte Dauer des Altersteilzeitverhältnisses eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 18,5 Stunden pro Woche.

§ 3 Tätigkeit

Der Arbeitnehmer geht in der ersten Hälfte des Altersteilzeit weiterhin seiner bisherigen Tätigkeit nach. […]

§ 4 Vergütung

[…]

§ 5 Krankheit

Wird der Mitarbeiter während der Arbeitsphase arbeitsunfähig krank, erhält er Entgeltfortzahlung entsprechend den gesetzlichen Regelungen, d. h. Arbeitsentgelt zuzüglich Aufstockungsbeträge für bis zu 6 Wochen. Arbeitsunfähigkeit während der Freistellungsphase hat keinen Einfluss auf die ausgezahlten Beträge, da die hierfür fällige Arbeitsleistung bereits erbracht wurde. Krankenzeiten über 6 Wochen in der...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge