Nicht immer ist allen Akteuren im Unternehmen klar, was genau der Sinn einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung ist. Ein häufiges Missverständnis ist, dass hier die Mitarbeiter auf Stresssymptome sowie psychische Störungen und Erkrankungen untersucht werden sollen. Dies ist nicht Aufgabe der Arbeitgeber und wäre auch nicht mit dem Datenschutz vereinbar. Psychische Erkrankungen oder auch psychische Belastungen aus dem privaten Leben der Beschäftigten spielen bei der Gefährdungsbeurteilung keine Rolle. Der Sinn der Gefährdungsbeurteilung ist es vielmehr, Belastungsfaktoren zu ermitteln, die den Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Tätigkeitsbereichen entstammen.

Es ist auch nicht immer klar, was genau mit "psychischer" Belastung gemeint ist. Ein weiteres Missverständnis wäre es zu glauben, dass psychische Belastung gleichzusetzen ist mit Stresssymptomen. Der Begriff "Belastung" ist erst einmal neutral zu verstehen. Eine psychische Belastung meint also alle kognitiven und emotionalen Vorgänge im Menschen aufgrund von äußeren Einflüssen. Daher gibt es auch keine Firma, in der keine psychischen Belastungen vorkommen. Jeder Mensch, der vor geistigen Herausforderungen steht oder Informationen verarbeitet, ist auch psychisch belastet.

Der folgende Überblick zeigt das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept:

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Das Ziel der Gefährdungsbeurteilung ist es, die Belastung aufzuspüren, die bei den Beschäftigten zu einer Beeinträchtigung der Gesundheit führen kann, also zu Fehlbeanspruchungen.

So sollen als Endergebnis des Prozesses einer Gefährdungsbeurteilung auch nicht alle psychischen Belastungsfaktoren ausgemerzt und abgeschafft werden. Belastung gehört schließlich zu jeder Art von Arbeit dazu. Die Arbeitssituation soll aber im Hinblick auf die Belastung optimiert werden – am besten sollte das Arbeitsleben bei den Beschäftigten sogar gesundheitsförderlich wirken. Belastung, die die Mitarbeiter weder über- noch unterfordert, kann als Herausforderung und Chance zur Weiterentwicklung erlebt werden. Die Motivation wird gefördert, die Fähigkeiten und Kenntnisse wachsen.

Es geht also auf der einen Seite darum, die Belastung so zu gestalten, dass sie von den Mitarbeitern bewältigt werden kann. Auf der anderen Seite sollte gefährdenden Belastungen möglichst Ressourcen zum Ausgleich gegenübergestellt werden.

 
Praxis-Beispiel

Callcenter

Mitarbeiter eines Callcenters, die für eine Beschwerde-Hotline arbeiten, werden häufig Anrufe von erregten und wütenden Kunden erhalten. Das gehört zum Aufgabengebiet dazu und lässt sich nicht völlig ausschließen. Um aus dieser Belastung keine Stressbelastung werden zu lassen, könnte der Arbeitgeber ausgleichende Ressourcen zur Verfügung stellen, z. B. die Möglichkeit, einen Teil der Arbeitszeit mit Sachbearbeitung zu verbringen, ausreichend Pausen und Rückzugsmöglichkeiten zu schaffen und unterstützende Führungskräfte einzusetzen.

Die Gefährdungsbeurteilung sollte auch nicht nur mit dem Ziel durchgeführt werden, den gesetzlichen Vorgaben zu genügen. Das ist selbstverständlich ein wichtiger Punkt, aber die Unternehmen sollten erkennen, dass sie selbst stark von einer gut durchgeführten Gefährdungsbeurteilung mit entsprechenden Maßnahmen profitieren können. Sie kann als eine Art kontinuierlicher Verbesserungsprozess dazu beitragen, dass die Arbeitsbedingungen immer weiter verbessert werden, dass unnötige Hindernisse und Erschwernisse bei der Arbeit abgebaut werden und die Mitarbeiter nicht nur effektiv, sondern auch motiviert und mit Engagement arbeiten können.

Gerade die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen kann dazu beitragen, gemeinsam mit der Belegschaft das Unternehmen weiterzuentwickeln und dauerhaft wettbewerbsfähiger zu machen. Das setzt jedoch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Arbeitsbedingungen und ein bewusstes Bemühen um Verbesserung voraus.

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