Rz. 6

§ 4 Abs. 1 EFZG bestimmt, dass dem Arbeitnehmer für den in § 3 Abs. 1 EFZG bezeichneten Zeitraum das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen ist. Folglich handelt es sich mit der regelmäßigen Arbeitszeit[1] und dem Arbeitsentgelt[2] um 2 Stellgrößen, die im Zusammenspiel die dem Arbeitnehmer konkret zustehende Entgeltfortzahlung ergeben. Das BAG[3] spricht von einem Zeit- und einem Geldfaktor, die miteinander zu multiplizieren seien. Das Gericht beschreibt damit den Umstand, dass sich aus dem Zusammenspiel beider Faktoren die konkret vom Arbeitgeber geschuldete Entgeltfortzahlung ergibt.[4]

 

Rz. 7

Hinsichtlich der Berechnungsmethode für die Bestimmung der Höhe der Entgeltfortzahlung geht das Entgeltfortzahlungsgesetz vom sog. modifizierten Entgeltausfallprinzip aus.[5] Dabei bedeutet "Entgeltausfallprinzip", dass der erkrankte Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf das Arbeitsentgelt hat, das er auch ohne die Arbeitsunfähigkeit erhalten hätte. Er ist mithin so zu stellen, als hätte er gearbeitet.[6] Dieses Entgeltausfallprinzip wird "modifiziert" dergestalt, dass auf die "regelmäßige" Arbeitszeit abgestellt wird.

 

Rz. 8

Die dem Entgeltausfallprinzip entgegengesetzte Methode, das sog. Referenzprinzip, findet etwa im Rahmen des § 18 MuSchG (bis 31.12.2017: § 11 Abs. 1 Satz 1 MuSchG) und – mit Einschränkungen[7] – im Rahmen des § 11 Abs. 1 BUrlG Anwendung und stellt auf einen Durchschnittsverdienst in einem in der Vergangenheit liegenden "Referenz"-Zeitraum ab.[8]

 
Hinweis

Bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung müssen alle Änderungen der Arbeitsbedingungen, die während der Arbeitsunfähigkeit für das Arbeitsverhältnis des konkreten Arbeitnehmers Wirkung erlangen, berücksichtigt werden. Dies umfasst Entgelt- und Arbeitszeitänderungen, aber auch etwa eine Veränderung des Akkordrichtsatzes. Ohne Bedeutung ist, ob diese Änderungen zugunsten oder zuungunsten des Arbeitnehmers wirken.[9]

[1] Vgl. 2.1.
[2] Vgl. 2.2.
[3] BAG, Urteil v. 24.3.2004, 5 AZR 346/03, NZA 2004, 1042, DB 2004, S. 1673.
[4] So auch ErfK/Reinhard, 23. Aufl. 2023, § 4 EFZG, Rz. 2.
[5] BAG, Urteil v. 24.3.2004, 5 AZR 346/03, NZA 2004, 1042, DB 2004, S. 1673.
[6] Wedde/Kunz, EFZG, 4. Aufl. 2015, § 4 EFZG, Rz. 3.
[7] ErfK/Gallner, 23. Aufl. 2023, § 11 BUrlG, Rz. 2a.
[8] BAG, Urteil v. 28.6.1963, 1 AZR 353/62, DB 1963, S. 1433, BB 1963, S. 1216.
[9] BAG, Urteil v. 15.2.1978, 5 AZR 739/76, DB 1978, S. 1351, BB 1978, S. 1011; vgl. auch Kaiser/Dunkl/ Hold/Kleinsorge, EFZG, 5. Aufl. 2000, § 4 EFZG, Rz. 104.

2.1 Maßgebliche regelmäßige Arbeitszeit

 

Rz. 9

Erste Stellgröße zur Ermittlung der dem Arbeitnehmer zustehenden Entgeltfortzahlung ist die Arbeitszeit, für die er an sich Arbeitsentgelt erhalten hätte, wäre er nicht arbeitsunfähig erkrankt.

2.1.1 Allgemeines

 

Rz. 10

Dem Arbeitnehmer ist das Bruttoentgelt fortzuzahlen, das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zugestanden hätte. Abzustellen ist grundsätzlich allein auf die individuelle Arbeitszeit des erkrankten Arbeitnehmers. Es kommt darauf an, welche Arbeitszeit aufgrund der Arbeitsunfähigkeit ausgefallen ist.[1] Die individuelle Arbeitszeit folgt in erster Linie aus dem Arbeitsvertrag. Auf die allgemein im Betrieb geltende Arbeitszeit kommt es dagegen nicht an. Auch die Kraft eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung im Betrieb geltende Arbeitszeit kann von der individuellen Arbeitszeit des Arbeitnehmers nach oben oder nach unten abweichen. Grundlage hierfür kann eine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung oder etwa eine betriebliche Übung sein.[2] Wird regelmäßig eine bestimmte, erhöhte Arbeitszeit abgerufen und geleistet, ist dies Ausdruck der vertraglich geschuldeten Leistung.[3] Eine wirksame Vereinbarung über die Arbeitszeit ist nicht erforderlich.

 
Hinweis

Das Gesetz stellt entscheidend darauf ab, welche Arbeitsleistung tatsächlich ausgefallen ist. Es kommt also darauf an, in welchem Umfang der Arbeitnehmer gearbeitet hätte, wenn er arbeitsfähig gewesen wäre (BAG, a. a. O.).

Die individuelle Arbeitszeit des erkrankten Arbeitnehmers richtet sich demnach lediglich nach den für ihn maßgeblichen Regelungen.

 
Praxis-Beispiel

Ist ein Arbeitnehmer regelmäßig aufgrund einer für ihn maßgeblichen Betriebsvereinbarung, betrieblichen Übung oder eines Einzelvertrags 30 Stunden pro Woche tätig, so sind diese 30 Stunden für die Errechnung der Entgeltfortzahlung maßgeblich, auch wenn etwa andere Arbeitnehmer in derselben Betriebsabteilung 35 Stunden arbeiten.

 

Rz. 11

Etwaige tarifliche oder gesetzliche Höchstarbeitszeiten[4] dienen allein dem Schutz des Arbeitnehmers und bewahren den Arbeitgeber nicht davor, die ggf. darüber hinausgehende Arbeitszeit zu vergüten, d. h. bei gegebener Stetigkeit auch hier ggf. Entgeltfortzahlung zu leisten.[5]

 

Rz. 12

Die individuelle Arbeitszeit des Arbeitnehmers hat nur in dem Fall keine Bedeutung, in dem der Arbeitnehmer einem Tarifvertrag unterfällt und die Tarifvertragsparteien in Ausübung der ihnen in § 4 Abs. 4 EFZG gegebenen Öffnungsklausel d...

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