Rz. 116

Ein Fortsetzungszusammenhang wird angenommen (es handelt sich also um dieselbe Erkrankung), wenn verschiedene Erkrankungen auf demselben nicht ausgeheilten Grundleiden beruhen bzw. wenn sie auf dieselbe chronische Veranlagung des Arbeitnehmers zurückzuführen sind.[1] Dasselbe medizinisch nicht behobene Grundleiden kann dabei in unterschiedlichen Krankheitserscheinungen zutage treten, die jeweils als Fortsetzungserkrankung zu werten sind. Dabei kann es sich um verschiedene Krankheitsphasen oder -schübe, Rückfälle oder Folgewirkungen des fortbestehenden Leidens handeln.[2] Umgekehrt können trotz desselben Krankheitsbildes unterschiedliche Erkrankungen vorliegen, die jeweils gesondert einen Entgeltfortzahlungsanspruch für 6 Wochen begründen; "dieselbe" Erkrankung ist nicht gleichzusetzen mit "der gleichen" Erkrankung. Auch unterschiedliche Erkältungskrankheiten sind keine Fortsetzungserkrankungen, wenn die Erkältung jeweils ausgeheilt war und die neue Erkrankung auf einer anderen Ursache beruht.[3]

 
Praxis-Beispiel

Arbeitnehmer A zieht sich einen komplizierten Beinbruch zu und erkrankt arbeitsunfähig für 6 Wochen. Nach Wiederaufnahme der Arbeit muss er 2 Monate später erneut in ärztliche Behandlung, da Schrauben, die zur Behandlung des Bruchs in den Knochen gedreht wurden, wieder entfernt werden müssen. Die auf der Nachbehandlung beruhende Erkrankung ist eine Folgeerkrankung, die einen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch ausschließt.

Im selben Beispiel fährt A 5 Monate nach dem Beinbruch in den Skiurlaub. Er stürzt unglücklich und bricht sich erneut dasselbe Bein. Trotz derselben Symptome handelt es sich um eine neue Erkrankung, für die A einen neuen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für 6 Wochen hat.

 

Rz. 117

Ein Grundleiden, das Fortsetzungserkrankungen auslösen kann, kann auch in einer mit Komplikationen verlaufenden Schwangerschaft liegen. Die Schwangerschaft kann mit einer Krankheit i. S. d. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG einhergehen, sodass die verschiedenen Schwangerschaftssymptome, die jeweils zu einer Arbeitsunfähigkeit führen, Fortsetzungserkrankungen sind. Der Arbeitgeber hat dann nur insgesamt für 6 Wochen Entgeltfortzahlung zu leisten.[4]

 
Praxis-Beispiel

Arbeitnehmerin C ist schwanger und leidet an unterschiedlichen anomalen Schwangerschaftsbeschwerden. Sie fällt immer wieder für einige Tage arbeitsunfähig aus. Nachdem sie während der Schwangerschaft insgesamt 6 Wochen arbeitsunfähig war, verweigert der Arbeitgeber bei einer neuen Erkrankung die Entgeltfortzahlung. Hierzu ist er nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EFZG berechtigt, da die jeweiligen Krankheiten – trotz unterschiedlicher Krankheitsbilder – alle auf die kompliziert verlaufende Schwangerschaft zurückzuführen sind. Diese steht für die Dauer ihres irregulären Verlaufs einem nicht ausgeheilten, befristeten Grundleiden gleich.

 

Rz. 118

Eine Fortsetzungserkrankung liegt auch vor, wenn eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation (z. B. eine Kur) nach § 9 EFZG der Arbeitsunfähigkeit i. S. d. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG gleichgestellt ist und der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit bereits zuvor arbeitsunfähig war.[5] In diesen Fällen ist der Sozialversicherungsträger dem Arbeitgeber gegenüber nicht verpflichtet, die Kur innerhalb des 6-Monats-Zeitraums zu ermöglichen, um einen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch zu vermeiden.[6] Bewilligung und Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme beruhen ausschließlich auf der sozialversicherungsrechtlichen Beziehung zwischen dem Versicherten und dem Sozialversicherungsträger; er hat daher keine Durchführungspflichten gegenüber dem Arbeitgeber, sondern kann sich allein von medizinischen Gesichtspunkten leiten lassen.[7]

 

Rz. 119

Entscheidend für die Entstehung eines neuen Entgeltfortzahlungsanspruchs ist, dass die Krankheitsphasen sich nicht überlappen. Ein "Mindestabstand" zwischen den Erkrankungen ist grds. nicht erforderlich. Insbesondere kommt es nicht darauf an, dass der Arbeitnehmer zwischen den Erkrankungen gearbeitet hat.[8]

Nach der Rechtsprechung des BAG[9] entscheidet über die Dauer der Arbeitsunfähigkeit der diese bescheinigende Arzt, wobei davon auszugehen ist, dass die Arbeitsunfähigkeit in der Regel am Ende des in der AU-Bescheinigung angegebenen Kalendertags endet, nicht zum Ende der von dem Arbeitnehmer an diesem Tag zu leistenden Arbeitszeit. Dies kann für die Frage eines Überlappens von Krankheiten von Bedeutung sein.[10]

Eine Vorerkrankung kann dann nicht als Teil einer Fortsetzungserkrankung angesehen werden, wenn sie lediglich zu einer anderen bestehenden, ihrerseits zur Arbeitsunfähigkeit führenden Krankheit hinzugetreten ist, ohne einen eigenen Anspruch auf Entgeltfortzahlung auszulösen.[11]

 
Praxis-Beispiel

Arbeitnehmer A ist aufgrund eines Magengeschwürs arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitgeber leistet für insgesamt 37 Tage Entgeltfortzahlung. Zu der Magenerkrankung tritt 8 Tage nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit für einen Zeitraum von 13 Tagen eine Erkrankung wegen eines HWS-Syndroms....

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