Nach § 11 Abs. 1 MuSchG darf der Arbeitgeber eine schwangere Frau keine Tätigkeiten ausüben lassen und sie keinen Arbeitsbedingungen aussetzen, bei denen sie in einem Maß Gefahrstoffen ausgesetzt ist oder sein kann, dass dies für sie oder für ihr Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellt (Pflicht zu betrieblichem Gesundheitsschutz). Der Ausschuss für Mutterschutz (AfMu) hat Vorgaben zur Gefährdungsbeurteilung veröffentlicht, die es Arbeitgebern erleichtern sollen, bei der Umsetzung des Mutterschutzes den aktuellen Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen.

Eine Gefährdung ist unverantwortbar, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung angesichts der zu erwartenden Schwere des möglichen Gesundheitsschadens nicht hinnehmbar ist.[1] Das wiederum bedeutet eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Eintritts bei gleichzeitig erhöhter Schwere der Gesundheitsbeeinträchtigung. Die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts muss umso größer sein, je geringer der möglicherweise eintretende Schaden ist, und sie darf umso kleiner sein, je schwerer der etwaige Schaden wiegt. Bei der Gefahr besonders großer Schäden für besonders gewichtige Schutzgüter reicht für die Bejahung einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit bereits die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts aus.[2]

Angesichts der in Rede stehenden Schutzgüter von Leben und Gesundheit der werdenden Mutter und des ungeborenen Kindes ist davon auszugehen, dass eine nur geringe Eintrittswahrscheinlichkeit regelmäßig ausreicht. Im Sinne dieses Verständnisses einer unverantwortbaren Gefährdung sind Tätigkeiten verboten im Umgang mit

  • Gefahrstoffen[3],
  • Biostoffen[4],
  • mit möglichen Beeinträchtigungen durch physikalische Einwirkungen[5],
  • durch eine belastende Arbeitsumgebung[6] und
  • durch körperliche Belastungen und mechanische Einwirkungen.[7]

Vermutung unverantwortbarer Gefährdung (Abs. 1)

§ 11 Abs. 1 MuSchG beinhaltet die Vermutung, dass bei Aussetzung gegenüber den dort aufgelisteten Stoffen eine unverantwortbare Gefährdung besteht. Infolgedessen hat der Arbeitgeber i. R. d. gemäß § 10 MuSchG erforderlichen Gefährdungsbeurteilung die einzuhaltenden Schutzmaßnahmen zu ermitteln (und zu dokumentieren) und zu prüfen, ob die Gefährdung ausgeschlossen werden kann. Da es sich in Abs. 1 um eine nicht abschließende ("insbesondere") Aufzählung handelt, ist ggf. die Prüfung auf industrielle Verfahren, bei denen Arbeitsschutz gegen Karzinogene und Mutagene vorgeschrieben ist, auszudehnen.[8] § 11 Abs. 1 Satz 3 MuSchG legt fest, wann eine unverantwortbare Gefährdung als ausgeschlossen gilt. Auch hier ist die Aufzählung nicht abschließend ("insbesondere") und wird zudem nur fingiert ("gilt als"), was einen Gegenbeweis zulässt. In jedem Fall hat der Arbeitgeber die vom Ausschuss für Mutterschutz[9] ermittelten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu beachten.

Kontakt mit Biostoffen (Abs. 2)

§ 11 Abs. 2 Satz 1 MuSchG regelt, dass der Arbeitgeber eine schwangere Frau keine Tätigkeiten ausüben lassen darf und sie keinen Arbeitsbedingungen aussetzen darf, bei denen sie in einem Maß mit Biostoffen der Risikogruppe 2, 3 oder 4 i. S. v. § 3 Abs. 1 der Biostoffverordnung in Kontakt kommt oder kommen kann, dass dies für sie oder für ihr Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellt. Satz 2 enthält eine nicht abschließende Aufzählung der Biostoffe der Risikogruppe 4 und nennt das Rötelnvirus und die Toxoplasmose. Eine unverantwortbare Gefährdung gilt insbesondere als ausgeschlossen, wenn die schwangere Frau über ausreichenden Immunschutz verfügt. Sie muss ihn nicht erst durch geeignete Impfungen herbeiführen.

Physikalische Einwirkungen (Abs. 3)

Gemäß § 11 Abs. 3 MuSchG darf der Arbeitgeber eine schwangere Frau keine Tätigkeiten ausüben lassen und sie keinen Arbeitsbedingungen aussetzen, bei denen sie physikalischen Einwirkungen in einem Maß ausgesetzt ist oder sein kann, dass dies für sie oder für ihr Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellt. Als physikalische Einwirkungen sind insbesondere ionisierende und nicht ionisierende Strahlungen, Erschütterungen, Vibrationen und Lärm sowie Hitze, Kälte und Nässe zu berücksichtigen.

Belastende Arbeitsumgebung (Abs. 4)

Gemäß § 11 Abs. 4 MuSchG darf der Arbeitgeber eine schwangere Frau keine Tätigkeiten ausüben lassen und sie keinen Arbeitsbedingungen aussetzen, bei denen sie einer belastenden Arbeitsumgebung in einem Maß ausgesetzt ist oder sein kann, dass dies für sie oder für ihr Kind eine unverantwortbare Gefährdung darstellt. Er darf eine schwangere Frau insbesondere keine Tätigkeiten in Räumen mit einem Überdruck i. S. v. § 2 der Druckluftverordnung, in Räumen mit sauerstoffreduzierter Atmosphäre oder im Bergbau unter Tage ausüben lassen.

Körperliche Belastungen und mechanische Einwirkungen (Abs. 5)

Besondere körperliche Belastungen und mechanische Einwirkungen können ebenfalls zu unverantwortbaren Gefährdungen führen.[10] Der Arbeitgeber darf eine schwangere Fra...

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