Im öffentlichen Dienst gelten anderen Grenzen für die Äußerung von Meinungen als in privaten Arbeitsverhältnissen. Denn Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst treffen besondere Pflichten gegenüber ihrem Arbeitgeber. Die Tarifnorm nach § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L sieht vor, dass sich Beschäftigte durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen müssen. Diese Norm konkretisiert die Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 2 BGB.[1] Einen ähnlichen Zweck verfolgt die Regelung nach § 41 Satz 2 TVöD-BT-V. Das Maß der jeweiligen Verfassungstreuepflicht richtet sich nach der Stellung und dem Aufgabenkreis im konkreten Einzelfall. Beschäftigte sind hiernach zu der Loyalität verpflichtet, die für eine funktionsgerechte Amtsausübung unverzichtbar ist.[2] Relevant sind in der Praxis häufig auch Entscheidungen zu Tätowierungen, die ebenfalls von der Meinungsfreiheit umfasst sein können.[3]

 
Praxis-Beispiel

Kündigung eines als "Reichsbürger" eingestuften Polizisten

Mit Urteil vom 22.4.2022 entschied das LAG Hamburg zu der Kündigung eines Polizisten, den der Verfassungsschutz als sog. Reichsbürger einstufte.[4] Der Arbeitnehmer arbeitete bei der Polizei im Objektschutz auf einer unteren bis mittleren Hierarchiestufe. Auf seinen Social-Media-Profilen war erkennbar, dass er Polizist ist. Auf den Profilen verlinkte er ein Video seines Blogs, in dem er sich über die Verfassung ausließ. Er führte unter anderem aus, dass er ausgehend von Art. 146 GG das Grundgesetz als "Scheißdreck von Verfassung" verstehe und die Bundesrepublik mit Hinblick auf Art. 120 GG ein besetztes Land sei.

Das erstinstanzliche Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt. Es begründete die Entscheidung damit, die Landespolizei können den Arbeitnehmer auch in einem weniger sicherheitsempfindlichen Bereich beschäftigen. Dieser Ansicht widersprach das LAG Hamburg, hob das Urteil auf und wies die Kündigungsschutzklage ab. Der Arbeitnehmer weise nicht das nötige Maß an Verfassungstreue auf. Der Arbeitnehmer schulde nur das Maß an politischer Loyalität, das für die funktionsgerechte Verrichtung seiner Tätigkeit unverzichtbar ist. Das Mindestmaß bestehe darin, dass TV-L-Beschäftigte die Verfassung nicht beschimpfen und verächtlich machen. Das gelte auch außerhalb der Arbeitszeit. Verfassungsfeindliche Ziele dürfe ein TV-L Beschäftigter nicht verfolgen.

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