Zusammenfassung

 
Begriff

Viele Beschäftigte nehmen regelmäßig oder gelegentlich Medikamente und stehen demnach, soweit sie nicht arbeitsunfähig krank sind, während der Arbeit unter deren Einfluss. Durch die Wirkungen oder auch unerwünschte Nebenwirkungen von Medikamenten können bestimmte Risiken am Arbeitsplatz entstehen oder erhöht werden. Besonders kritisch ist eine Medikamentenabhängigkeit, die Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Sicherheit erheblich gefährden kann.

Betriebsärzte verordnen keine Medikamente. Ausnahme sind ärztliche Ambulanzen in größeren Betrieben, die u. U. in akuten Fällen Medikamente für den Sofortgebrauch abgeben. Für besondere Gefährdungen, z. B. durch Gefahrstoffeinwirkung, kann es erforderlich sein, Notfallmedikamente bereit zu halten.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Zum missbräuchlichen Umgang mit Medikamenten gilt § 15 DGUV-V1. Demnach dürfen sich die Mitarbeiter durch die Einnahme von Medikamenten nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können. In Bezug auf andere Risiken, die sich durch Medikamentenwirkungen oder Nebenwirkungen ergeben können, gelten die allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, z. B. im Hinblick auf individuelle Gefährdungsbeurteilungen für Menschen, die wegen chronischer Erkrankungen dauerhaft Medikamente mit kritischen Wirkungen oder Nebenwirkungen einnehmen müssen.

Die Abgabe von Medikamenten unterliegt dem Arzneimittelrecht.

1 Medikamente und Arbeitsfähigkeit

Durch die Einnahme von Medikamenten kann sich die körperliche, psychische und seelische Belastbarkeit des Menschen erheblich verändern. Ob und wie stark derartige Veränderungen auftreten, ist kaum präzise vorherzusagen. Gründe dafür sind:

  • die große Zahl pharmazeutisch eingesetzter Wirkstoffe und Kombinationen,
  • die unterschiedlichen Wirkungsweisen und Darreichungsformen von Medikamenten,
  • die persönliche Disposition des Betroffenen (genetische Disposition, Gesundheitszustand, Ernährung usw.),
  • Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder Substanzen, z. B. Alkohol.

Die gängigen Warnhinweise, die Medikamenten beigegeben werden müssen, sind daher als nach bestimmten Kriterien abgestufte Erfahrungswerte aus Test und Anwendung der Präparate zu verstehen. Ob und inwieweit sie auf den Einzelfall zutreffen, ist nicht einmal für einen Mediziner, viel weniger noch für medizinische Laien konkret vorherzusagen.

Hinzu kommt, dass die Hersteller aus nachvollziehbaren Gründen ihren Produkten nicht selten vorsorglich sehr umfassende Warnungen mitgeben ("Fähigkeit zur Teilnahme am Straßenverkehr bzw. zum Führen von Maschinen kann eingeschränkt sein"). Sie sichern sich damit im Hinblick auf seltene Komplikationen ab, ohne dass das Risiko näher eingegrenzt werden könnte.

In der betrieblichen Praxis wirft das dann Probleme auf, wenn Medikamente mit potenziell kritischen Wirkungen oder Nebenwirkungen über längere Zeiträume einzunehmen sind, der Betroffene aber grundsätzlich nicht arbeitsunfähig krank ist. Das kann z. B. der Fall sein bei:

  • Anfallkrankheiten
  • Hirnverletzungen oder -operationen
  • psychischen Erkrankungen
  • chronischen starken Schmerzen

Um in solchen Fällen die Frage zu entscheiden, ob und unter welchen Bedingungen Betroffene unter Medikamenteneinfluss beschäftigt werden können, sind unterschiedliche Kompetenzen erforderlich. Außer dem Betroffenen und der zuständigen Führungskraft sollten beteiligt sein:

  • Betriebsarzt
  • Sicherheitsfachkraft
  • ggf. Betriebsrat
  • behandelnder Arzt, falls möglich und erforderlich

Folgende Fragen sind zu klären:

  • Wie groß ist das medizinische Risiko, dass es durch die Medikamente zu gefährlichen Situationen kommen kann?
  • Wie groß ist das technische Risiko, dass es durch einen medikamentenbedingten Ausfall zu einer Gefährdung kommt? Lässt sich dieses Risiko ggf. durch zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen (Vermeidung von Alleinarbeit, Änderung der Tätigkeit, Auslagerung kritischer Tätigkeiten, technische Überwachung) verringern?

Hilfreich in schwierigen Entscheidungsprozessen können sein:

  • Informationen von Berufsgenossenschaften oder Integrationsämtern, bei denen u. U. Erfahrungen mit ähnlich gelagerten Fällen bestehen;
  • Kriterien und/oder Fristen festlegen, nach denen getroffene Entscheidungen wieder überprüft werden sollen;
  • ggf. auch konkrete Tests (falls der Betroffene zustimmt), die zwar aufwendig sind, aber bei lang andauernden oder chronischen Krankheitsverläufen sinnvoll sein können.

Der gesamte Entscheidungsprozess sollte in Form einer Gefährdungsbeurteilung dokumentiert werden.

 
Praxis-Beispiel

Pauschale Risikoeinschätzungen führen nicht weiter

In Fällen von krankheits- bzw. medikamentenbezogenen Tauglichkeitsbeurteilungen (z. B. bei Anfallskranken) tun sich häufig sowohl behandelnde Ärzte als auch Betriebsärzte schwer, eine Unbedenklichkeitserklärung abzugeben, wenn nach fachärztlicher Einschätzung bzw. Angaben der Medikamentenhersteller eine kritische Situation am Arbeitsplatz des Betroffenen nicht völlig auszuschließen ist.

In vielen Fällen ist es sicher nicht angebracht, den Betroffenen aufgrund oft ...

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