Ziel einer Mediation ist die konsensuale Lösung eines Konflikts. Es soll idealerweise von den Konfliktparteien mithilfe des Mediators eine Lösung gefunden werden, die deren Interessen bestmöglich entspricht. In diesem Zusammenhang findet sich oftmals das Stichwort WIN-WIN-Lösung.[1]

Damit unterscheidet sich der Ansatz der Mediation von bisherigen, klassischen Konfliktlösungsmethoden. Früher entschied regelmäßig die Macht des Stärkeren, wer gewinnt oder verliert. Am Ende stand oftmals eine WIN-LOSE-Lösung. Ein Schema, dem meist auch das Ergebnis eines Gerichtsverfahrens entspricht. Egal ob das Verfahren durch Urteil oder Vergleich endet – mindestens eine der beteiligten Parteien fühlt sich oft benachteiligt und reagiert mit Unverständnis bis hin zur Fassungslosigkeit auf die Entscheidung des Gerichts. Ergebnis ist, dass ein gerichtliches Verfahren im Standardfall zu WIN-LOSE- oder LOSE-LOSE-Situationen führt.

Mit dem Ziel, in der Mediation eine WIN-WIN-Lösung zu erarbeiten, sollen zudem weitere positive Effekte erzielt werden: Es wird nicht nur die aktuelle konkrete schwierige Situation aufgelöst. Dadurch, dass eine für alle Beteiligten annehmbare und gesichtswahrende Lösung erarbeitet wurde, wird eine weitere Zusammenarbeit ermöglicht. Gerade in Wirtschaftsunternehmen ist dies von großer Bedeutung. In Zeiten von großem Fachkräftemangel wiegt ein Mitarbeiterverlust aufgrund nicht oder unzureichend gelöster Konflikte ungleich schwerer. Gelingt es aber, die Situation mithilfe von Mediation konstruktiv zu bearbeiten, kann neues Vertrauen geschaffen werden. Ein guter Ausgangspunkt, um auch in Zukunft auftretende Schwierigkeiten zu meistern. Folgendes Beispiel mag dies verdeutlichen[2]:

 
Praxis-Beispiel

Sie sind Inhaber eines Restaurants und bekommen mit, dass sich der Koch und der Barkeeper um die letzte aktuell vorhandene Zitrone streiten. Es handelt sich um eine unbehandelte Bio-Zitrone. Diese sind nur in einem speziellen Bioladen erhältlich, der bereits geschlossen hat und erst morgen wieder öffnet. Koch und Barkeeper wenden sich an Sie und bitte Sie als Inhaber, eine Entscheidung zu treffen. Wie reagieren Sie?

Manch einer käme möglicherweise auf die Idee, die Zitrone zu teilen und Koch und Barkeeper jeweils eine halbe Zitrone zu geben. Die begrenzte Ressource – die letzte Zitrone – wurde vermeintlich gerecht geteilt. Ob Koch und Barkeeper mit dieser Lösung zufrieden sind? Vielleicht.

Ein anderer vermeintlich gerechter Ansatz wäre: Einer teilt die Zitrone in zwei Hälften, der andere sucht sich eine Hälfte aus. Aber auch dann bleibt offen, ob das gefundene Ergebnis für Koch und Barkeeper tatsächlich hilfreich ist.

Der Weg zur WIN-WIN-Lösung öffnet sich, wenn nach den Hintergründen der jeweiligen Position "Ich brauche die Zitrone!" gefragt wird.

 
Praxis-Beispiel

Lösung:

Ich frage sowohl den Koch als auch den Barkeeper, weshalb sie die Zitrone benötigen. Antwortet der Koch z. B. er benötigt die Schale der unbehandelten Bio-Zitrone, um ein Dessert zuzubereiten und der Barkeeper, dass er den Saft für einen Cocktail braucht, kann die Zitrone so geteilt werden, dass sowohl Koch als auch Barkeeper zu 100 Prozent den Anteil bekommen, den sie benötigen: Einer bekommt den Saft, der andere die Schale der Zitrone. Die WIN-WIN-Lösung ist gefunden.

Freilich lässt sich ein Konflikt nicht immer so einfach auflösen, wie in dem vorstehenden Praxisbeispiel. Was also tun, wenn sowohl Koch als auch Barkeeper den Zitronensaft benötigen, um Dessert und Cocktail herzustellen?

Dann ändert sich das Thema in der Konfliktbearbeitung. Es geht nicht mehr um die Frage, wer die Zitrone bekommt, sondern anhand welcher Kriterien eine Verteilung der begrenzten Ressource vorzunehmen ist.

Während eine Entscheidung aufgrund von Hierarchie oder Macht zwar die Verteilung regeln könnte, bietet eine mediative Lösung darüber hinaus jedoch den Vorteil, durch Einbindung der Beteiligten ein Ergebnis zu erzielen, das zudem als gerecht und akzeptabel empfunden wird und ermöglicht, zukünftige gleichgelagerte Konflikte ebenso zu lösen, oft, ohne dass es der Hilfe Dritter bedarf.

[1] Vgl. stellvertretend: Trenczek, T., Außergerichtliches Konfliktmanagement (ADR) und Mediation – Verfahren, Prinzipien und Modelle, in: Trenczek, T/Berning, D./Lenz, C./Will, H.-G. [Hrsg], Mediation und Konfliktmanagement, 2. Aufl. 2017, S. 35-63, insbes. S. 44 Rn. 18.
[2] Beispiel in Anlehnung an: Fisher, R./Ury, W./Patton, B., Das Harvard-Konzept, 2018, S. 96.

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