Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenrechtliche Bewertung von Zeiten schulischer und beruflicher Ausbildung und von Hochschulzeiten

 

Orientierungssatz

1. Durch § 74 S. 4 SGB 6 i. V. m. § 263 Abs. 3 SGB 6 sind die bis zum 31. 12. 2004 im Umfang von bis zu drei Jahren bewerteten Zeiten der schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres ab 1. 1. 2009 als unbewertete Anrechnungszeiten ausgestaltet worden, soweit es sich um den Besuch einer Schule oder Hochschule handelt. Dagegen verbleibt es für Fachschulzeiten und Zeiten der Teilnahme an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen bei der vorherigen für schulische Ausbildungszeiten geltenden Bewertung.

2. Die unterschiedliche Behandlung ist sachlich gerechtfertigt und verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (BSG Urteil vom 19. 4. 2011, B 13 R 27/10 R). Mit der zulässigen typisierenden Betrachtungsweise durfte der Gesetzgeber vom Regelfall der besseren Verdienstmöglichkeiten von Hochschulabsolventen ausgehen. Zur Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung ist es dem Gesetzgeber erlaubt, rentenrechtliche Privilegien, zu denen die Anerkennung und Bewertung von Ausbildungszeiten gehören, abzubauen.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verfolgt die Bewertung von Hochschulzeiten als Anrechnungszeiten mit Entgeltpunkten.

Die am ... 1950 geborene Klägerin bezieht antragsentsprechend seit dem 1. Dezember 2015 Regelaltersrente. Im Versicherungsverlauf des die Rente bewilligenden Bescheides vom 5. Januar 2016 sind u.a. vom 1. September 1969 bis zum 12. Juli 1973 47 Monate Hochschulausbildung aufgeführt. Auf Seite 5 f. der Anlage zum vorgenannten Bescheid ist zur Bewertung beitragsfreier Zeiten angegeben, dass die Anrechnungszeiten wegen Schul- oder Hochschulausbildung keine Entgeltpunkte erhalten. Dementsprechend sei für die Zeiten vom 1. September 1969 bis zum 12. Juli 1973 ein Gesamtleistungswert nicht zu berücksichtigen.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch, die Hochschulzeiten im Zeitraum von September 1969 bis Juli 1973 wie Fachschulzeiten zu bewerten, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2016 als unbegründet zurück. Mit der Neuregelung durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlage der gesetzlichen Rentenversicherung vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1791 (RV-Nachhaltigkeitsgesetz)) seien die bis zum 31. Dezember 2004 im Umfang von höchstens drei Jahren bewerteten Zeiten der schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres mit einer vierjährigen Übergangsregelung (vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2008) ab dem 1. Januar 2009 als unbewertete Anrechnungszeit ausgestaltet worden, soweit es sich um den Besuch einer Schule oder Hochschule handele (§ 74 Satz 4 1. Halbsatz Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) i.V.m. § 263 Abs. 3 SGB VI). Für Fachschulzeiten und Zeiten der Teilnahme an berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen verbleibe es dagegen bei der bisherigen für schulische Ausbildungszeiten geltenden Bewertung. Eine Verfassungswidrigkeit der vorgenannten Regelungen bestehe nicht. Diese Auffassung habe das Bundessozialgericht (BSG) in mehreren Verfahren bestätigt (Hinweis auf Urteile vom 19. April 2011, B 13 R 27, 28, 29/10 R, B 13 R 55/10 R und B 13 R 8/11 R).

Mit der am 8. April 2016 beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat die Klägerin die "Bewertung der Hochschulzeiten im Zeitraum 09/69 bis 07/73" weiterverfolgt.

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 20. September 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und ist der Begründung in dem angefochtenen Bescheid gefolgt. Die Klägerin habe keine Gründe für eine Verfassungswidrigkeit der anzuwendenden Norm des § 74 Satz 4 SGB VI genannt. Die unterschiedliche Behandlung der Klägerin gegenüber solchen Rentnern, deren Anrechnungszeiten wegen Schulausbildung oder berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen weiterhin rentenerhöhend bewertet werden könnten, sei sachlich gerechtfertigt und verstoße nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Der Gesetzgeber habe eine typisierende Betrachtungsweise vornehmen und vom Regelfall der besseren Verdienstmöglichkeiten von Hochschulabsolventen ausgehen dürfen. Zur Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung müsse er die Möglichkeit haben, rentenrechtliche Privilegien, zu denen die Anerkennung und Bewertung von Ausbildungszeiten gehörten, abzubauen.

Gegen das ihr am 28. September 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 5. Oktober 2017 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zwar sei in entsprechenden Musterverfahren in der Vergangenheit die Gleichstellung von Fachschulzeiten und Hochschulzeiten hinsichtlich der weiteren Bewertung als rentenrechtliche Zeiten weiterverfolgt und mit formellem Nichtannahmebeschluss des Bundesver...

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