Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarzt. Ansprüche gegen Kassenärztliche Vereinigung unterliegen grundsätzlich dem Pfändungsschutz. kein wirksamer Erwerb an Gegenständen der Insolvenzmasse nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Entstehen des konkreten Honoraranspruchs. Insolvenzverwalter. Prozesszinsen. Bundesknappschaft

 

Orientierungssatz

1. Ansprüche von Vertragsärzten gegen die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) auf Zahlungen für ärztliche Leistungen unterliegen grundsätzlich dem Pfändungsschutz für Arbeitseinkommen nach § 850 ZPO. Damit unterliegen sie nur insoweit einem Abtretungsverbot, als sie die Erwerbstätigkeit des Vertragsarztes nicht vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen. Hat der Vertragsarzt wesentliche weitere Einnahmen aus Behandlung privat Versicherter oder aus Gutachtertätigkeit, so unterliegt die Honorarforderung des Vertragsarztes gegenüber der KÄV keinem Abtretungsverbot. Dies gilt auch für die Abtretung künftiger Forderungen bzw für den Fall einer sog Globalzession.

2. Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse können nach § 91 Abs 1 InsO nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vertragsarztes nicht wirksam erworben werden. Entsteht die im Voraus abgetretene Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so kann der Gläubiger gemäß § 91 Abs 1 InsO kein Forderungsrecht zu Lasten der Masse mehr erwerben. Nur wenn der Zessionar bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich der abgetretenen Forderung erlangt hat, ist die Abtretung insolvenzfest. (Anschluss an BGH vom 20.3.2003 - IX ZR 166/02 = BGHReport 2003, 765). Auch für den Vergütungsanspruch des Vertragsarztes gilt der allgemeine Grundsatz, dass der Anspruch für geleistete Dienste nicht vor der Dienstleistung entsteht (vgl BGH vom 11.5.2006 - IX ZR 247/03 = BGHZ 167, 363.

3. Der konkrete Honoraranspruch des Vertragsarztes entsteht im Hinblick auf die Gesamtvergütung erst nach Prüfung sämtlicher von den Vertragsärzten eingereichten Abrechnungen und der darauf basierenden Errechnung der möglichen Verteilungspunktwerte. Ist der maßgebliche Honorarbescheid erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlassen, so ist der zugrundeliegende Honoraranspruch gegen die KÄV auch erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden, mit der Folge, dass der Zessionar keine Rechte daraus herleiten kann.

4. Ein Insolvenzverwalter hat - anders als ein Vertragsarzt - einen Anspruch gegen die Bundesknappschaft auf Prozesszinsen (vgl ua BSG vom 23.3.2011 - B 6 KA 14/10 R = BSGE 108, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 62 stRspr).

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 28.04.2008 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.295,99 EUR nebst 8 Prozent Zinsen ab 12.05.2005 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers und die Gerichtskosten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter des Beigeladenen zu 1.) von der beklagten Bundesknappschaft Honorarzahlungen in Höhe von 21.295,99 EUR; zwischen den Beteiligten ist insofern im Wesentlichen streitig, ob die Beklagte insofern mit befreiender Wirkung diese Honorare ausgezahlt hat.

Der Beigeladene zu 1) war als Arzt für Kinderheilkunde in I niedergelassen und zur vertragsärztlichen sowie auf der Grundlage eines Knappschaftsarzteinzelvertrages zur knappschaftsärztlichen Versorgung zugelassen.

Mit "Globalzessionsvertrag" vom 07.11.2002 trat der Beigeladene zu 1) seine Honoraransprüche gegen die Beklagte an die Nationalbank - die Beigeladene zu 2) - zur Sicherung bestehender Kreditverbindlichkeiten in Höhe von rund 244.000.00 EUR ab. Auf entsprechende Anzeige der Beigeladenen zu 2) am 27.02.2003 teilte die Beklagte dem Beigeladenen zu 1) mit Schreiben vom 06.03.2003 mit, dass ärztliche Honoraransprüche grundsätzlich nur im Rahmen der Pfändungsfreigrenzen abgetreten werden dürften. Der darüber hinausgehende Betrag stehe ihm - dem Beigeladenen zu 1) - weiterhin zu. Sollte er jedoch damit einverstanden sein, dass eine Überweisung des gesamten, also auch des den pfändbaren Honoraranteils übersteigenden Honorarbetrages an die Bank mit befreiender Wirkung erfolgen könne, werde um entsprechende Erklärung gebeten. Der Beigeladene zu 1) erklärte daraufhin am 14.04.2003, nur der pfändbare Betrag solle an die Beigeladene zu 2) und der unpfändbare Anteil auf ein Konto, bei dem es sich - wie sich nachträglich herausstellte - um ein Konto seines Schwiegervaters handelte, bei der Sparkasse Ratingen überwiesen werden. Die Beklagte überwies in der Folgezeit entsprechend die Honorare des Beigeladenen zu 1) auf die beiden angegebenen Konten.

Mit Beschluss vom 01.08.2003 eröffnete das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Essen (160 IN 39/03) das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beigeladenen zu 1) und forderte dessen Gläubiger (Dritt...

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