Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bei bestehender Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung

 

Orientierungssatz

1. Von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung werden nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 6 unter den dort genannten Voraussetzungen befreit u. a. Beschäftigte wegen der für sie bestehenden Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, wenn sie zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind.

2. Eine Befreiung kommt nur bei Ausübung einer berufsspezifischen Tätigkeit in Betracht. Bei einem Veterinärmediziner gilt kammerrechtlich ein weiter Tätigkeitsbegriff.

3. Dieser ist bereits dann zu bejahen, wenn der Betreffende nicht kurativ unmittelbar am Tier tätig ist.

4. Es reicht aus, wenn er auf einem fachspezifischen Gebiet ausschließlich oder überwiegend tätig ist. Ein Aufgabenbereich, der dem Schutz des Wohlbefindens der Tiere und der Erhaltung gesunder Tiere in allen Haltungsformen genügt. Deshalb ist eine beratende Tätigkeit im veterinär-medizinischen Ernährungssektor ausreichend.

5. Erfasst wird u. a. ein als wissenschaftlicher Marketingassistent eingestellter Veterinärmediziner, solange tierärztliche Tätigkeiten dessen Arbeit das Gepräge geben.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 24.10.2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin sowie der Beigeladenen zu 1) und zu 2) im Berufungsverfahren. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der Zeit vom 01.04.2010 bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei der Beigeladenen zu 2) am 31.12.2017 streitig.

Die am 00.00.1982 geborene Klägerin ist approbierte Tierärztin und war zunächst seit dem 01.04.2008 Mitglied der Landestierärztekammer Niedersachsen I. Die Klägerin war bereits mehrfach befristet beschäftigt und von der Versicherungspflicht befreit. Zuletzt war die Klägerin befristet ab 01.01.2010 bis zum 31.03.2010 Teilzeitbeschäftigte bei der tierärztlichen Hochschule I. Auch für diese Beschäftigung war die Klägerin von der Pflichtmitgliedschaft in der Deutschen Rentenversicherung befreit.

Ab dem 01.04.2010 stand die Klägerin aufgrund unbefristeten Arbeitsvertrags vom 01.03.2010 bei der Beigeladenen zu 2) - der Firma S Tiernahrung GmbH & Co KG - als wissenschaftliche Marketingassistenz/Junior Produktmanagerin Vetcare (= Tierarztpflege) im Bereich der Tierfutterproduktion in einem Beschäftigungsverhältnis. Seit diesem Zeitpunkt war die Klägerin zudem Mitglied der Landestierärztekammer Nordrhein sowie des berufsständischen Versorgungswerkes. Das Beschäftigungsverhältnis wird durch Aufhebungsvertrag zum 31.12.2017 beendet sein.

Am 11.05.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht und legte die Stellenausschreibung, ihren Arbeitsvertrag vom 01.03.2010 sowie eine Bescheinigung ihres Arbeitgebers vom 09.07.2010 vor.

Nach der Stellenausschreibung ist der Bewerber für die Aufbereitung wissenschaftlicher Grundlagen in kundenrelevanter Form verantwortlich, hat Informations- und Schulungsmaterial zu erarbeiten und ist Ansprechpartner für Ernährungsfragen von Tierärzten, tiermedizinischen Fachangestellten, Studierenden der Veterinärmedizin sowie Tierhaltern und Mitarbeiter aus den Fachabteilungen. In der Rubrik "Ihr Profil" führte die Beigeladene zu 2) aus: "Hochschulstudium der Veterinärmedizin erfolgreich absolviert und eigene Erfahrung in der Kleintierpraxis".

Im Arbeitsvertrag war unter § 3 Abs. 2 die Aufgabenstellung umschrieben. Danach umfasst die Tätigkeit der Klägerin schwerpunktmäßig Tätigkeiten einer wissenschaftlichen Assistentin eines Veterinärs für die Marke S und der übrigen Marken der Firma.

In der Bescheinigung vom 09.07.2010 führte die Beigeladene zu 2) u.a. zur konkreten Stelle der Klägerin aus, der Aufgabenbereich umfasse Planung, Koordination und Durchführung von Marketingmaßnahmen, Tierarztdirektservice, Betreuung und Unterstützung der Tierarztaußendienstmitarbeiter mit Materialien, Informationen und Schulungsmaßnahmen, Vortragstätigkeit in Praxen zu Ernährungs- und Praxismanagementthemen, Schulung tierärztlicher Mitarbeiter, fachliche Beratung bei Ernährungsfragen. Ausdrücklich führte die Beigeladene zu 2) aus, ein veterinärmedizinisches Studium sei für die Stelle zwingend erforderlich.

Mit Bescheid vom 25.08.2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Tätigkeit als Marketingassistentin stelle keine tierärztliche Tätigkeit dar. Tierärzte verhüteten, linderten und heilten Leiden und Krankheiten von Tieren und arbeiteten hauptsächlich in Tierarztpraxen. Es sei nicht ersichtlich, dass diese Tätigkeit nur mit tierärztlicher Approbation a...

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