Entscheidungsstichwort (Thema)

Betreuungsgeld. vor dem 1.8.2012 geborene Kinder. Leistungsausschluss. Stichtagsregelung. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die Stichtagsregelung in § 27 Abs 3 S 1 BEEG in der ab 1.8.2013 geltenden Fassung ist verfassungsgemäß.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.12.2015; Aktenzeichen B 10 EG 2/15 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17.03.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger macht einen Anspruch auf Betreuungsgeld für seinen am 21.04.2012 geborenen Sohn geltend.

Der 1980 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Deutschland. Er ist der Vater des am 2012 geborenen M. G. (M) und seit dem 29.09.2012 mit dessen Mutter verheiratet. M lebt seit seiner Geburt im Haushalt seiner Eltern und wird von diesen betreut und erzogen. Bis einschließlich Mai 2014 (25. Lebensmonat) nahmen die Eltern keine Kinderbetreuung für M in Anspruch. Die Mutter von M erhielt auf ihren Antrag für die Zeit vom 21.06.2012 (3. Lebensmonat) bis zum 20.04.2013 (12. Lebensmonat) von der Beklagten Elterngeld.

Am 25.10.2013 beantragte der Kläger rückwirkend ab 01.08.2013 die Bewilligung von Betreuungsgeld für M. Soweit die Leistung nur Kindern zustehe, die ab dem 01.08.2012 geboren seien, sei diese Gesetzgebung diskriminierend und nicht fair den Menschen gegenüber, die wieder in die Berufswelt einsteigen wollen, denen es jedoch wegen mangelnder Betreuungsmöglichkeiten in Kindertagesstätten nicht möglich sei. Da das Kind voraussichtlich erst ab September 2014 einen Kindergartenplatz erhalte, könne die Ehefrau und Mutter des Kindes bis zum gegebenen Zeitpunkt auch nicht wieder in ihrer ehemaligen Anstellung tätig werden, weshalb Anspruch auf Betreuungsgeld bestehe. Mit Bescheid vom 29.10.2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Betreuungsgeld ab, da das Kind vor dem 01.08.2012 geboren sei. Ein Anspruch bestehe nur für Kinder, die ab diesem Stichtag geboren seien.

Hiergegen legte der Kläger am 05.11.2013 Widerspruch ein. Der Ausschluss von vor dem 01.08.2012 geborenen Kindern von Betreuungsgeld sei verfassungswidrig. Es liege insbesondere ein Verstoß gegen Artikel 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) iVm Artikel 6 Abs 1 GG vor, da für den Stichtag zum 01.08.2012 keine sachliche Rechtfertigung erkennbar sei. Die staatliche Schutz- und Fürsorgepflicht, auf welche die Gesetzesbegründung Bezug nehme, gelte für vor und nach dem 01.08.2012 geborene Kinder bzw deren Eltern gleichermaßen. Soweit nach dem Willen des Gesetzgebers durch den Ausschlusstatbestand auch zusätzlicher Verwaltungsaufwand vermieden werden soll, scheide dies vorliegend als Rechtfertigung aus, da kein erheblicher zusätzlicher Verwaltungsaufwand ersichtlich sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.11.2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Gemäß § 27 Abs 3 Satz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) werde Betreuungsgeld nicht für vor dem 01.08.2012 geborene Kinder gezahlt. Gegen die Stichtagsregelung des § 27 Abs 3 Satz 1 BEEG bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit komme dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dieser sei vorliegend nicht überschritten. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Stichtagsregelung bei der Einführung des Elterngeldes, die entsprechend anwendbar sei.

Am 15.11.2013 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft der Kläger sein Vorbringen aus den Widerspruchsverfahren. Zwar sei es dem Gesetzgeber durch Artikel 3 Abs 1 GG nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtagsregelungen einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidbare gewisse Härten mit sich bringe. Voraussetzung dafür sei aber, dass die Einführung eines Stichtags notwendig sei und dass sich die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiere und damit sachlich vertretbar sei. Ansonsten verstoße die Norm gegen Artikel 3 Abs 1 GG iVm Artikel 6 Abs 1 GG. Die staatliche Schutz- und Fürsorgepflicht, auf welche die Gesetzesbegründung ausdrücklich Bezug nehme, gelte für vor und nach dem 01.08.2012 geborene Kinder bzw deren Eltern gleichermaßen. Außerdem entstehe bei Anträgen von Eltern eines vor dem maßgeblichen Stichtag geborenen Kindes auch kein zusätzlicher Verwaltungsaufwand, der im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung erheblich wäre.

Mit Urteil vom 17.03.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Dem Gesetzgeber sei es nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtagsregelungen einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidbare gewisse Härten mit sich bringe. Voraussetzung sei, dass die Einführung eines Stichtages notwendig sei und dass sich die Wahl des Zeitpunktes am gegebenen Sachverhalt orientiere und damit sachlich vertretbar sei. Dabei komme im Rahmen der gewährenden Staatstätigkeit dem Gesetzg...

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