Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenversicherung: Arbeitslosengeldanspruch eines Studierenden zwischen Immatrikulation und Beginn der Vorlesungszeit

 

Orientierungssatz

1. Ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld ist jedenfalls dann nicht durch die Immatrikulation an einer Hochschule ausgeschlossen, wenn der Studierende in Abweichung vom gesetzlichen Regelfall darlegen und nachweisen kann, dass der gewählte Ausbildungsgang auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen eine wöchentliche Erwerbstätigkeit von mehr als 15 Stunden zulässt.

2. Für die Zeit zwischen einer erstmaligen Immatrikulation an einer Hochschule und dem eigentlichen Beginn des Vorlesungsbetriebs ist eine Verfügbarkeit im Sinne des § 119 SGB 3 auch eines Studierenden anzunehmen und deshalb ein Arbeitslosengeldanspruch bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen zu bejahen.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28. September 2009 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 26. August 2008 und vom 04. September 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. Oktober 2008 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01. bis zum 30. September 2008 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung von Arbeitslosengeld im Streit.

Der 1983 geborene Kläger war als Maschineneinrichter in der Zeit vom 11. September 2000 bis zum 30. September 2007 bei der Firma D. C. AG beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis wurde beendet, um dem Kläger die Möglichkeit zu geben, die Fachhochschulreife zu erlangen und ein Fachhochschulstudium durchzuführen. In der Zeit vom 10. September 2007 bis zum 11. Juli 2008 besuchte der Kläger die K.-B.-Schule G. und erlangte dort die Fachhochschulreife.

Der Kläger meldete sich am 10. Juli 2008 mit Wirkung zum 12. Juli 2008 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld.

Die Beklagte stellte den Eintritt einer Sperrzeit vom 01. Oktober 2007 bis 23. Dezember 2007 fest (Bescheid vom 12. August 2008).

Der Kläger wurde am 01. September 2008 an der Hochschule K. - Technik und Wirtschaft als Student immatrikuliert. Der Vorlesungsbetrieb der Hochschule begann am 01. Oktober 2008; ab diesem Zeitpunkt war die Anwesenheit der Studierenden erforderlich. Über die geplante Aufnahme des Studiums hatte der Kläger die Beklagte vorab informiert.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger für die Zeit vom 12. Juli bis zum 31. August 2008 Arbeitslosengeld (täglicher Leistungsbetrag 40,21 EUR) (Bescheid vom 26. August 2008 und Änderungsbescheid vom 04. September 2008). Dagegen legte der Kläger am 02. Oktober 2008 Widerspruch ein, mit dem er Arbeitslosengeld für September 2008 begehrt. Er habe dem Arbeitsmarkt im September noch zur Verfügung gestanden, da der Unterricht bzw. die Vorlesungen erst ab 01. Oktober 2008 begonnen haben. Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) könne er erst mit Beginn der Vorlesungen beziehen. Die Beklagte wies den klägerischen Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 09. Oktober 2008). Bei Schülern oder Studenten einer Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätten werde gemäß § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III vermutet, dass diese nur versicherungsfreie Beschäftigungen (§ 27 Abs. 4 SGB III) ausüben könnten. Der Studentenstatus liege ab der Immatrikulation vor.

Dagegen erhob der Kläger am 23. Oktober 2008 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Die Vermutung in § 120 Abs. 1 Satz 1 SGB III könne widerlegt werden, wenn der Schüler oder Student darlege oder nachweise, dass der Ausbildungsgang die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulasse. Vorliegend beginne die erste Vorlesung am 01. Oktober 2008. Dies bedeute, dass der Kläger ohne Beeinträchtigung seiner ordnungsgemäßen Ausbildung in der Zeit vom 01. bis zum 30. September 2008 eine wöchentlich mehr als 15-stündige versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben könne.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28. September 2009 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld im Monat September 2008. Arbeitslosigkeit setze u.a. voraus, dass der Arbeitnehmer den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehe (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III). Voraussetzung für ein solches "zur Verfügung stehen" sei nach § 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III u.a., dass der Arbeitnehmer eine zumutbare, versicherungspflichtige Beschäftigung von mindestens 15 Stunden wöchentlich auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ausüben könne und dürfe. Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III werde bei Studenten - zu denen der Kläger im streitigen Zeitraum aufgrund der zum 01. Septemb...

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