Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Aushilfstätigkeit im Bereich der Rohrreinigung. Notdienst. Auftragsverhältnis. Gewerbeanmeldung für Dienstleistungen aller Art rund ums Haus. mehrere Auftraggeber. Zufluss von Arbeitsentgelt. Beitragsanspruch. Beitragsnachforderung im Rahmen einer Betriebsprüfung. Säumniszuschlag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist jemand Monat für Monat in erheblichem Umfang nur für einen Auftraggeber tätig, spricht der Umstand, dass er daneben auch noch für andere Auftraggeber tätig sein durfte, nicht für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit.

2. Hat ein Beschäftigter Arbeitsentgelt tatsächlich erhalten, kommt es wegen § 14 Abs 1 S 1 SGB IV nicht darauf an, ob ein wirksamer (arbeitsrechtlicher) Anspruch auf das gezahlte Arbeitsentgelt bestand (vgl BSG vom 14.7.2004 - B 12 KR 1/04 R = BSGE 93, 119 = SozR 4-2400 § 22 Nr 2).

3. Säumniszuschläge sind nicht zu erheben, wenn sich der Auftraggeber in einem unverschuldeten Irrtum über seine Arbeitgebereigenschaft befand.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.10.2019 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 16.05.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.03.2019 wird insoweit aufgehoben, als Säumniszuschläge iHv 9.493,50 € festgesetzt werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt 2/3, die Beklagte 1/3 der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 29.338,34 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über eine Beitragsnachforderung im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) hinsichtlich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) bei der Klägerin in der Zeit vom 01.01.2013 bis zum 15.06.2014.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die insbesondere Leistungen der Rohr- und Kanalreinigung anbietet. Sie beschäftigt ca 40 Mitarbeiter.

Der Beigeladene zu 1) war bis zum 31.10.2011 als R bei der Klägerin versicherungspflichtig beschäftigt. Mit Wirkung zum 31.10.2011 beendete der Beigeladene zu 1) das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin. Er meldete zum 01.04.2012 ein Gewerbe für Gebäudereinigung und zum 15.01.2013 ein Gewerbe für Rohrreinigung an. Im Juli 2012 erwarb er eine Software für Buchhaltung und Rechnungswesen. Im Oktober 2013 inserierte er in privaten Mitteilungsblättern als „Firma E Dienstleistungen“ und offerierte handwerkliche Leistungen und Fachkompetenz Rohrreinigung, Kehrwoche, Gartenpflege, Winterdienst für Gewerbe oder privat, Hausmeisterdienst für Gewerbe oder privat sowie Montage. Im März 2013 erwarb der Beigeladene zu 1) einen Kastenwagen, im Mai 2013 ein Werkzeugset und im Januar 2014 eine Schlauch- und eine Klauenkupplung. Im Januar 2013 wollte er sich eine Spiralmaschine für bis zu 30 m lange Leitungen mit einem Durchmesser bis 110 mm, im Juni 2013 eine Rohrreinigungsmaschine für bis zu 70 m lange Leitungen mit einem Durchmesser bis 150 mm und im Dezember 2013 einen Nass- und Trockensauger anschaffen. Die Spiralmaschine, die Rohrreinigungsmaschine und der Nass- und Trocken-Sauger wurden jeweils an den Firmensitz der Klägerin geliefert und von der Klägerin bezahlt. Seit dem 16.06.2014 ist der Beigeladene zu 1) wieder bei der Klägerin versicherungspflichtig in Vollzeit mit einem Stundenlohn von 14,00 € beschäftigt.

Mitte des Jahres 2012 trat der Beigeladene zu 1) an die Klägerin heran und teilte dieser mit, dass er Dienstleistungen aller Art rund um das Haus anbiete, und fragte an, ob er für die Klägerin Notdienste durchführen und Aufträge zu Stoßzeiten übernehmen könne. Der Geschäftsführer der Klägerin erklärte sich damit einverstanden. Einen schriftlichen Vertrag schlossen der Beigeladene zu 1) und die Klägerin nicht. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlter Urlaub wurden nicht vereinbart. Hatte die Klägerin keine freien eigenen Ressourcen, um einen Rohrreinigungsauftrag auszuführen, fragte sie den Beigeladenen zu 1) fernmündlich, ob und wann er Zeit habe, den Auftrag zu übernehmen. Bei der Ausführung des Auftrages verwendete der Beigeladene zu 1) die vom Kunden zu unterschreibenden Reportzettel der Klägerin zur Erfassung der geleisteten Tätigkeiten, des eingesetzten Materials und der aufgewandten Arbeitszeit. Die Klägerin gab die Preise vor. Gelegentlich nutzte der Beigeladene zu 1) eines der Firmenfahrzeuge der Klägerin. Der Beigeladene zu 1) trug bei der Ausführung der Aufträge nicht die Dienstkleidung der Beschäftigten der Klägerin, sondern eigene Arbeitskleidung. Der Beigeladene zu 1) rechnete die von ihm erbrachten Leistungen gegenüber der Klägerin ab, die Klägerin wiederum gegenüber ihren Kunden.

In der Zeit vom 01.01.2013 bis zum 31.12.2013 rechnete der Beigeladene zu 1) insgesamt Entgelte in Höhe von 67.521,34 € und in der Zeit vom 01.01.2014 bis zum 15.06.2014 16.446,53 € ab; dabei berechnete der Beigeladene zu 1) einen Stunden...

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