Entscheidungsstichwort (Thema)

Kurzarbeitergeldanspruch. Anzeige über den Arbeitsausfall. Verlust auf dem Postweg. objektive Beweislast für den Zugang. verspäteter Zugang. keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Anzeige über Arbeitsausfall wird als öffentlich-rechtliche Willenserklärung bei Zugang bei der zuständigen Agentur für Arbeit wirksam. Das Übermittlungsrisiko und damit auch das Risiko des Verlustes auf dem Postweg trägt der Anzeigende.

2. Ein verspäteter Zugang der Anzeige über Arbeitsausfall kann weder über eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geheilt werden, noch kann ein früherer Zugang der Anzeige über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch fingiert werden (Anschluss an BSG vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R = SozR 4-4200 § 37 Nr 5).

 

Normenkette

SGB III § 95 Abs. 1 Nr. 4, § 96 Abs. 3 S. 2, § 98 Abs. 4, § 99 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Sätze 1-2, § 109 Abs. 5 S. 1 Nr. 3; SGB I §§ 14-15, 36a Abs. 2 Sätze 4, 2 a.F.; SGB X § 27 Abs. 1 S. 1; CoronaVO BW § 5; AFG § 66; KugV § 2 Abs. 1; BGB §§ 121, 130 Abs. 1; SGG § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, § 65a Abs. 7 S. 1, § 75 Abs. 2, § 151

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.02.2021 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld und eine pauschalierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für März und April 2020 streitig.

Der Kläger führt als alleiniger Inhaber den Hotel- und Gastronomiebetrieb „Landgasthof und Hotel K.“ in K.

Mit zwei am 04.05.2020 unterzeichneten Antragsformularen, auf denen ein maschineller Eingangsstempel der Beklagten vom 05.05.2020 angebracht ist, beantragte er für insgesamt neun Beschäftigte seines Betriebes Kurzarbeitergeld und eine pauschalierte Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge für März 2020 in Höhe von 3.582,72 € und April 2020 in Höhe von 7.952,27 €. Dem Antrag beigefügt war ein an den Sachbearbeiter der Beklagten D. gerichtetes Schreiben des Klägers mit Datum vom 30.04.2020, in dem er auf ein mit diesem geführtes Telefonat vom 30.04.2020 verwies und Angaben zur personellen Situation in seinem Betrieb machte.

Die Beklagte bestätigte dem Kläger mittels E-Mail vom 11.05.2020 den Eingang der Anträge und teilte ihm ergänzend mit, ihr liege noch keine Anzeige über Arbeitsausfall seit 03/2020 vor.

Daraufhin übersandte ihr ein Mitarbeiter der den Kläger betreuenden Steuerberatungsgesellschaft am 13.05.2020 als Anhang zu einer E-Mail eine Anzeige über Arbeitsausfall für die Monate März bis Dezember 2020, die neben der Unterschrift des Klägers das Datum 19.03.2020 enthielt und von der Beklagten auf Blatt 11, 12 der Verwaltungsakte abgelegt wurde. Im Text der E-Mail teilte der Mitarbeiter mit, die Anzeige sei bei dem Kläger bereits Ende März per Post an die in der Anzeige eingetragene Adresse gegangen. Als Empfängeranschrift war in dem Formular die Postanschrift „42172 P.“ (richtig wäre: 75172 P.) eingetragen.

Mit an den Kläger gerichtetem Bewilligungsbescheid vom 28.05.2020 teilte die Beklagte mit, sie bewillige den von dem Entgeltausfall betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Kurzarbeitergeld ab dem 01.05.2020 bis längstens zum 31.12.2020, sofern diese die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen (§ 98 SGB III) erfüllten.

Mit zwei Bescheiden vom 02.06.2020 lehnte die Beklagte demgegenüber die Anträge des Klägers auf Erstattung von Kurzarbeitergeld für die Monate März und April 2020 ab. Zur Begründung gab sie jeweils an, ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld setze u.a. voraus, dass der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit schriftlich angezeigt worden sei. Hier fehle es für die jeweiligen Abrechnungsmonate an einer rechtswirksam erstatteten Anzeige des Arbeitsausfalls nach § 99 Abs. 1 SGB III.

Gegen die beiden Bescheide legte der Kläger Widerspruch ein. Er machte geltend, er habe die Anzeige über Arbeitsausfall am 20.03.2020 zur Post gegeben; dies sei auf einer Kopie der Anzeige, die er bei seinen Unterlagen behalten habe, handschriftlich vermerkt. Im Übrigen habe er sich im April 2020 an die Beklagte gewandt, um sich über die Anmeldung und korrekte Abrechnung von Aushilfskräften während der Kurzarbeit zu informieren. Der Vorgang sei seinerzeit bereits unter seiner „Kug-Nummer“ geführt worden, weshalb für ihn nicht ersichtlich gewesen sei, dass seine Anzeige über Arbeitsausfall bei der Beklagten nicht vorgelegen habe. Mit dem Postausgangsvermerk auf der Kopie der Anzeige sei er seiner Nachweispflicht nachgekommen. Keinesfalls habe er die Frist schuldhaft versäumt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 SGB III werde Kurzarbeitergeld frühestens von dem Monat an geleistet, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen sei. Das Risiko des rec...

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