Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten zielen darauf ab, unter möglichst direkter und kontinuierlicher Beteiligung der Betroffenen (Partizipation) und der Verantwortlichen für die jeweilige Lebenswelt die Gesundheitspotenziale/-risiken in der Lebenswelt zu ermitteln und einen Prozess geplanter organisatorischer Veränderungen anzuregen und zu unterstützen. Gesundheit soll als Leitbild in den Lebenswelten etabliert werden. Das schließt die Integration von Gesundheitsförderung, -bildung und -erziehung in die Prozesse des Alltags ein. Verknüpft mit dem Bemühen, Gesundheit als Organisationsprinzip nachhaltig in Lebenswelten zu integrieren, sollte die persönliche Handlungsfähigkeit Einzelner gestärkt werden, um sie zu befähigen, sich für eine gesundheitsförderliche Gestaltung ihrer Lebenswelt einzusetzen (Autonomie und Empowerment). Ein weiteres Ziel ist es, Menschen zu einem eigenverantwortlichen gesundheitsförderlichen Verhalten zu motivieren und zu befähigen. Der Lebenswelt- oder Setting-Ansatz ist geprägt durch eine enge Verknüpfung von Interventionen, die sowohl auf die Rahmenbedingungen (Verhältnisse) im Setting als auch auf das gesundheitsbezogene Verhalten Einzelner gerichtet sind (Abb. 2).[1]

Zu den gesundheitlich relevanten Rahmenbedingungen zählt insbesondere die Qualität der natürlichen Umgebung, von der der Mensch als Lebewesen und Teil der Natur trotz aller technischen Errungenschaften abhängig ist und bleibt.[2] Für die GKV ist es daher ein Anliegen, dass gesundheitsfördernde Interventionen möglichst so gestaltet werden, dass sie mittelbar zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen beitragen. Der Gesundheitsförderungsprozess ist als Lernzyklus zu konzipieren, um möglichst langfristige positive Wirkungen zu erzielen. Es sollen Prozesse initiiert werden, die unter aktiver Mitwirkung aller Beteiligten zu einer Verbesserung der gesundheitlichen Situation führen.

Ein zentrales Ziel ist die nachhaltige Verankerung von Gesundheitsförderung in Lebenswelten. Dies setzt voraus, dass Gesundheitsförderung und Prävention nach dem Lebenswelt- oder Setting-Ansatz als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden und gestaltet sowie in politikfeldübergreifende gesundheitsförderliche Strategien und Vernetzungsprozesse zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Organisationen, Institutionen oder informellen Gruppen eingebunden werden. Die originär zuständigen Träger müssen sich mit ihren jeweiligen Kompetenzen und finanziellen sowie personellen Ressourcen an der Prävention und Gesundheitsförderung beteiligen; die Krankenkassen kompensieren nicht einen eventuellen Rückzug der primär verantwortlichen Akteure. Maßnahmen in Lebenswelten sollen möglichst in lebensphasenübergreifende Strategien (lebensphasen- und institutionsübergreifende "Präventionsketten"[3]) eingebettet sein. Dadurch lassen sich Angebote und Aktivitäten der verschiedenen Träger über Ressortgrenzen hinweg aufeinander abstimmen und bedarfsgerechte Unterstützungsangebote, z. B. von der Schwangerschaft bzw. Geburt bis zur Berufsausbildung, sicherstellen.[4] Für die lebensweltbezogene Gesundheitsförderung und Prävention in Bildungseinrichtungen (Kitas, Schulen und Hochschulen) bestehen gemeinsame Schnittmengen zum Präventionsauftrag der Unfallversicherungsträger. Krankenkassen und Unfallversicherungsträger sollten sich daher über ihre jeweiligen Vorhaben informieren und bedarfsbezogen kooperieren.[5]

Bei den Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten liegt ein besonderes Augenmerk – auch im Hinblick auf den Gesetzesauftrag nach § 20 Abs. 1 Satz 2 SGB V – auf der Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen. Soziale Benachteiligungen können sich insbesondere aus einem niedrigen Bildungsstand, einer niedrigen beruflichen Stellung oder Erwerbslosigkeit sowie einem geringen Einkommen ergeben. Auch die Gesundheitschancen Alleinerziehender sowie alleinlebender Älterer in der Kommune können sozial bedingt beeinträchtigt sein. Sozial benachteiligte Zielgruppen sind meist höheren gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt und verfügen gleichzeitig über geringere Bewältigungsressourcen und höhere Zugangsbarrieren als sozial Bessergestellte.[6] Auch Menschen mit Migrationshintergrund sowie Versicherte im ländlichen Raum können einen erschwerten Zugang zu Präventionsleistungen haben. Mit lebensweltbezogenen Interventionen können sozial Benachteiligte leichter erreicht werden; zugleich werden kontraproduktive Stigmatisierungen vermieden, da hier in der Regel nicht ausschließlich sozial Benachteiligte anzutreffen sind. Zur Erreichung sozial benachteiligter Zielgruppen geeignete Lebenswelten sind insbesondere:

  • Kindergärten/Kindertagesstätten
  • Grund-/Haupt-/Realschulen (samt zusammenfassenden Schulformen wie z. B. Mittelschulen/Gesamtschulen), Förderschulen sowie Berufsschulen
  • Einrichtungen der ambulanten pflegerischen Versorgung
  • Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen
  • Kommunen mit niedrigem durchschnittlichen Pro-Kopf-Eink...

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