Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermittlung eines Teilzeitfaktors für die Berechnung der Betriebsrente nach Wechsel von Vollzeit- in Teilzeitarbeit. Benachteiligung des Teilzeitbeschäftigten bei der Berechnung der Betriebsrente

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat der Arbeitnehmer die letzten Jahre des Arbeitsverhältnisses in Teilzeit im Umfang von 50 % der Arbeitszeit eines regelmäßig in Vollzeit beschäftigten Mitarbeiters gearbeitet, ist sein pensionsfähiger Arbeitsverdienst nach den Regeln der Versorgungsordnung zu kürzen und ein Teilzeitfaktor zu ermitteln. War der Beschäftigte 258 Monate in Vollzeit und 39 Monate in 50 % Teilzeit beschäftigt, errechnet sich ein Teilzeitfaktor von 277,5:297 = 93,43 %.

2. Sieht die Versorgungsordnung eine Beschränkung bei der Ermittlung des Teilzeitfaktors auf die letzten fünf Jahre der Beschäftigung vor, ist diese Regelung wegen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 TzBfG i.V.m. § 134 BGB unwirksam. Denn diese Regelung führt zu derart massiven Ungerechtigkeiten, dass sie mit dem Grundsatz der gleichen Vergütung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten nicht zu vereinbaren ist.

 

Normenkette

RL 97/81/EG § 4 Nr. 2; BetrAVG § 1b Abs. 1, § 2 Abs. 1; TzBfG § 4 Abs. 1; BGB § 134; Versorgungsordnung Abschn. III. Nr. 1 Fassung: 1975-12-03, Nr. 2 Fassung: 1975-12-03, Nr. 3 Fassung: 1975-12-03

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Entscheidung vom 08.12.2020; Aktenzeichen 3 Ca 1941/20)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Klägerin und unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 08.12.2020, Az.: 3 Ca 1941/20 abgeändert und die Beklagte verurteilt,

    1. an die Klägerin rückständige Betriebsrente für die Zeit von Mai 2020 bis Februar 2021 in Höhe von insgesamt 3.240,80 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 391,94 Euro ab dem 16.07.2020 und aus jeweils 406,98 Euro ab dem 16.08.2020, dem 16.09.2020, ab dem 16.10.2020, dem 16.11.2020, dem 16.12.2020, dem 16.01.2021 und dem 16.02.2021 zu zahlen,
    2. an die Klägerin zukünftig, erstmals am 15.03.2021 eine betriebliche Altersrente in Höhe von 401,98 Euro brutto pro Monat zu zahlen.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  • II.

    Die Klägerin trägt 28 %, die Beklagte 72 % der Kosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens. Die Beklagte trägt zudem die Kosten des Berufungsverfahrens.

  • III.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung von betrieblicher Altersrente für die Zeit ab Mai 2020.

Die am ... 1954 geborene Klägerin war vom 1. Juli 1978 bis zum 31. März 2003 bei der L. H...bank AG bzw. bei der durch Zusammenschluss der L. H...bank AG mit der F. H...bank Z. AG entstandenen E. AG als Sachverständige für Immobilienbewertung angestellt. Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der E. AG.

Die Klägerin war zunächst in Vollzeit beschäftigt und ab dem 1. Januar 2000 bis zu ihrem Ausscheiden in Teilzeit mit einer Arbeitszeitquote von 50 %. Bezogen auf das gesamte Beschäftigungsverhältnis ergibt sich ein Beschäftigungsgrad von 93,43 % der Arbeitszeit eines im gesamten Zeitraum in Vollzeit Beschäftigten, bezogen auf die letzten fünf Jahre der Beschäftigung ein Beschäftigungsgrad von 67,5 %.

Mit Anerkenntnisurteil vom 9. April 2003 hat das Arbeitsgericht Lübeck unter dem Aktenzeichen 4 Ca 3938/02 festgestellt, dass die Klägerin Anwartschaften auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gegen die E. AG (Rechtsvorgängerin der Beklagten) auf Grundlage der Versorgungsordnung der L. H...bank AG vom 3. Dezember 1975 erworben hat.

Die in Form einer Gesamtzusage vom Vorstand erlassene Versorgungsordnung der L. H...bank AG vom 3. Dezember 1975 (im Folgenden: VO) lautet auszugsweise wie folgt:

"III. Altersrente

1. Versorgungsberechtigte Betriebsangehörige, die nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus den Diensten der Bank ausscheiden, erhalten eine lebenslängliche Altersente.

2. Die Altersrente errechnet sich wie folgt:

Von der Hälfte des pensionsfähigen Arbeitsverdienstes werden abgezogen

a) Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung, soweit sich ein Arbeitgeber an den Beiträgen beteiligt hat, zur Hälfte;

b) Leistungen des Beamtenversicherungsvereins des D. B.- und Bankiergewerbes (a.G.)

zu zwei Dritteln;

...

Von dem Differenzbetrag werden für jedes pensionsfähige Dienstjahr 4 %, insgesamt jedoch höchstens 100 % als Altersrente gewährt.

3. Pensionsfähiger Arbeitsverdienst ist

1/12 des Jahrestarifgehaltes zuzüglich fest vereinbarter übertariflicher Zulagen (jedoch ohne Urlaubsgeld und Abschlußvergütung) jeweils nach dem Stand des letzten Bilanzstichtags vor Vollendung des 65. Lebensjahres.

Bei Angestellten, die in den letzten fünf Jahren nicht nur vorübergehend teilzeitbeschäftigt waren, wird der pensionsfähige Arbeitsverdienst auf 1/60 des in den letzten fünf Geschäftsjahren vor Vollendung des 65. Lebensjahres bezogenen Bruttoeinkommens begrenzt.

...

7. Pensionsfähig ist die Zeit, während der der Pensionsberechtigte vor Vollendung seines 65. Lebensjahres ununterbrochen in einem Dienstverhältnis zur Ba...

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