Entscheidungsstichwort (Thema)

Schmerzensgeldanspruch gegen Arbeitskollegen bei Körperverletzung anlässlich einer "Neckerei". Ende der betriebsbezogenen Tätigkeit eines Gabelstaplerfahrers bei Abweichung vom gebotenen Fahrweg zur "Neckerei" eines Arbeitskollegen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Arbeitnehmer haftet seinem Arbeitskollegen auf Schmerzensgeld, wenn der Personenschaden nicht anlässlich einer betrieblichen Tätigkeit eingetreten ist, sondern nur anlässlich einer solchen Tätigkeit.

2. Ein Haftungsausschluss nach § 105 SGB VII kommt namentlich bei einer "Neckerei" unter Arbeitskollegen nicht in Betracht.

3. Eine solche Neckerei liegt vor, wenn der Schädiger mit einem Gabelstapler auf einen Arbeitskollegen zurollt, um ihm "in die Brust zu zwicken", auch wenn der Schädiger beabsichtigt, den Wagen anschließend in der Lagerhalle abzustellen.

 

Normenkette

BGB § 253 Abs. 2, § 823 Abs. 1; SGB VII § 105 Abs. 1; BGB § 276 Abs. 2; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 12.06.2015; Aktenzeichen 51 Ca 1379 c/14)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 12.06.2015 - 51 Ca 1379 c/14 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Streithelfers, die dieser selbst trägt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der 1969 geborene Kläger begehrt vom Beklagten, seinem ehemaligen Arbeitskollegen, die Zahlung eines Schmerzensgeldes. Der Beklagte ist beim Streithelfer haftpflichtversichert.

Kläger und Beklagter waren bei der Firma B. GmbH beschäftigt. Am 23.04.2014 gegen 17:30 Uhr entlud und säuberte der Kläger gemeinsam mit drei Arbeitskollegen auf dem Betriebsgelände einen Pritschenwagen. Der Beklagte fuhr mit einem Gabelstapler an den Kläger heran, um diesen in die Brust zu zwicken. Dabei fuhr er mit dem linken Hinterrad des Gabelstaplers zweimal über den Fuß des Klägers. In einer schriftlichen Erklärung vom Folgetag erklärte der Beklagte zum Unfallhergang:

"Der Geschädigte und die Zeugen räumten die Ladefläche des Firmenwagens auf. Ich fuhr an das Fahrzeug mit dem Gabelstapler heran, um Herrn W. "zu zwicken". Beim folgenden weiterfahren erwischte ich Herrn W. mit dem linken Hinterrad am Hinterfuß. Dabei fiel er hin und schrie auf. Vor Schreck, weil ich dachte, dass ich noch auf seinem Fuß stehen würde, fuhr ich erneut über seinen Fuß."

Der Kläger wurde vom Rettungsdienst ins Krankenhaus gebracht. Er erlitt eine teils dislozierte Mehrfragmentfraktur des Mittelfußknochens mit Gelenkbeteiligung. Auf den Zwischenbericht vom 24.04.2014 und einen OP-Bericht vom 23.09.2014 (Bl. 5 f., 41 d. A.) wird verwiesen.

Der Kläger verlangt die Zahlung eines Schmerzensgeldes.

Er hat behauptet:

Der Beklagte sei ohne betriebliche Veranlassung auf ihn zugefahren, um ihn zu zwicken und habe dabei seinen rechten Fuß überfahren. Er sei darauf hingefallen, dann sei der Beklagte erneut über seinen Fuß gefahren.

Es seien erhebliche Verletzungsfolgen eingetreten, die operativ hätten behandelt werden müssen. Er sei arbeitsunfähig, möglicherweise auf Dauer. Auf keinen Fall werde er seine volle Arbeitsfähigkeit im Baugewerbe wieder erlangen.

Der Kläger hat beantragt,

  1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger auf der Basis des Schadensfalles vom 23.04.2014 um ca. 17:30 Uhr, K. 13 in O..., ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 10.000,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 06.06.2014 zu zahlen;
  2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die aus dem Schaden vom 23.04.2014 um ca. 17:30 Uhr auf dem Betriebsgelände der Firma B., K. 13 in O. zukünftig entstehen, zu ersetzen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Der Beklagte und der Streithelfer haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet:

Er habe den Gabelstapler in die Betriebshalle fahren wollen, um ihn dort abzustellen. Auf dem Weg dorthin habe er am Transporter vorbeifahren müssen. Auf dessen Höhe habe er angehalten. Er habe sich dann aus dem Führerhaus gelehnt und dem Kläger in die Brust gezwickt, wie dieser es einige Minuten zuvor mit ihm gemacht habe. Er habe dann schnell weiterfahren wollen, der Kläger habe ihn aber "verfolgt". Er - Beklagter - habe nicht gemerkt, dass der Kläger bereits so nah an die linke Seite des Gabelstaplers herangekommen sei, dass er beim Anfahren über dessen Fuß gerollt sei. Als der Kläger geschrien habe, habe er gedacht, er stehe mit dem Gabelstapler noch auf dessen Fuß und habe zurückgesetzt, wobei er ein weiteres Mal über den Fuß gerollt sei. Die Verletzungsfolgen bestreite er mit Nichtwissen.

Der Streithelfer hat die Auffassung vertreten, die Verletzung des Klägers sei bei Ausübung einer betrieblichen Tätigkeit durch den Beklagten erfolgt. Der Unfall sei im Zusammenhang mit dem Abstellen des Gabelstaplers in der Betriebshalle passiert. Der Vorgang der "Neckerei" sei zum Zeit...

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