Entscheidungsstichwort (Thema)

Altersdiskriminierende Stellenausschreibung. Darlegungs und Beweislast für eine Rechtfertigung einer Altersdiskriminierung gem. § 10 AGG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird in einer Stellenausschreibung ein Rechtsanwalt für ein "junges Team" gesucht, kann sie aus der Sicht eines objektiven Empfängers regelmäßig nur so verstanden werden, dass der Arbeitgeber jemanden sucht, der in das Team passt, weil er ebenfalls jung ist wie die Mitglieder des vorhandenen Teams. Bezüglich älterer Bewerber liegt damit eine Altersdiskriminierung vor.

2. Dem Arbeitgeber, der eine altersdiskriminierende Stellenausschreibung veröffentlicht, obliegt die volle Darlegungs- und Beweiskraft dafür, dass die Nichtberücksichtigung eines älteres Bewerbers ausschließlich auf anderen sachlichen, durch ein legitimes Ziel gerechtfertigten Gründen beruht.

 

Normenkette

AGG §§ 1, 7 Abs. 1, §§ 10-11, 15 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Entscheidung vom 24.05.2017; Aktenzeichen 7 Ca 2002 c/15)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 24.05.2017 - 7 Ca 2002 c/15 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger macht einen Entschädigungsanspruch wegen Altersdiskriminierung geltend.

Der Beklagte betätigt sich in der Rechtsform des Vereins als Lobbyverband für Haus- und Grundbesitzer und leistet insoweit auch eine rechtliche Beratung seiner Mitglieder. Er veröffentlichte im September 2015 im Internetportal X... eine Stellenausschreibung, die lautete:

"Rechtsanwalt/ Rechtsanwältin bzw. Volljurist/ Volljuristin

[...]

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Neben der Mitgliederberatung steht auch die Vereinsarbeit und die Interessenvertretung des privaten Grundeigentums im Vordergrund. Kommunikationsfähigkeit ist sowohl im Team, bei der Beratung der Mitglieder und bei Vorträgen, z.B. bei Veranstaltungen, von großer Bedeutung.

Bitte senden Sie die Bewerbung bis zum 21.09.2015 schriftlich an: [...]"

Die Stellenausschreibung zeigte außerdem ein Bild der Mitarbeiter der Geschäftsstelle des Beklagten, von denen nach dem äußeren Erscheinungsbild keiner älter als ca. 40 Jahre alt ist.

Der am ....1961 geborene Kläger, gelernter Bankkaufmann, Volljurist und seit 1996 als Rechtsanwalt tätig, bewarb sich mit Schreiben vom 09.09.2015 auf die ausgeschriebene Stelle. Wegen der Einzelheiten des Bewerbungsschreibens und der beigefügten Bewerbungsunterlagen wird auf die Anlagen K 1 (Bl. 4 d. A.) und K 3 (Bl. 8 - 35 d. A.) verwiesen. Der Beklagte lud fünf Bewerberinnen zu einem Vorstellungsgespräch ein, nämlich die Bewerberinnen W..., M..., E..., H... und M.... Die Stelle besetzte er mit der ca. 30 Jahre alten Frau W.... Dem Kläger erteilte er mit Schreiben vom 07.10.2015 eine Absage.

Mit Schreiben vom 28.10.2015 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten einen Entschädigungsbetrag in Höhe eines Bruttomonatsgehalts, das er auf EUR 2.950,-- schätzte, geltend. Mit der am 23.12.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen, dem Beklagten am 04.01.2016 zugestellten Klage verfolgt er sein Begehren weiter.

Er hat behauptet, er sei wegen seines Alters bei der Bewerbung nicht berücksichtigt worden. Dies werde durch die Stellenanzeige indiziert und sei vom Beklagten nicht widerlegt worden. Er habe daher einen Entschädigungsanspruch in Höhe jedenfalls eines Monatsgehalts.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, einen in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Entschädigungsbetrag nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.01.2016 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Stellenausschreibung sei nicht altersdiskriminierend erfolgt und damit nicht geeignet, eine Indizwirkung zu begründen.

Auch tatsächlich habe das Alter der Bewerber bei der Auswahl keine Rolle gespielt. Er habe eine Liste der Bewerber anhand verschiedener Merkmale erstellt, in der das Alter nicht erwähnt sei. Für die Nichtauswahl des Klägers zum Bewerbungsgespräch sei entscheidend gewesen, dass sich dessen Bewerbung von den anderen nicht positiv abgehoben habe. Es habe im Anschreiben keinen Bezug zu den Aufgaben des Beklagten gegeben. Die Bewerbung habe insgesamt "lieblos und blutleer" gewirkt. Das sei bei den eingeladenen Bewe...

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