Entscheidungsstichwort (Thema)

außerordentliche Änderungskündigung. ordentliche Änderungskündigung. Sprachkenntnisse eines Gerüstbauers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine außerordentliche Änderungskündigung ist nur wirksam, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem bisherigen Inhalt bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist.

2. Kennt der Arbeitgeber seit der Einstellung die nur rudimentären deutschen Sprachkenntnisse des Arbeitnehmers und führt das Arbeitsverhältnis auf dieser Basis fort, fällt es in die Sphäre des Betriebsrisikos des Arbeitgebers, wenn dessen Hauptauftraggeber nunmehr erhöhte Anforderungen an die Sprachfertigkeit stellt.

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG § 2

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 22.08.2005; Aktenzeichen 8 Ca 789/05)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 22.08.2005 – 8 Ca 789/05 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die fristlose und die fristgerechte Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Änderungskündigung der Beklagten vom 07.03.2005 unwirksam ist.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.200,00 Euro festgesetzt.

4. Die Revision wird (für die Beklagte) zugelassen.

 

Tatbestand

Der am 10.04.1946 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit dem 18.12.1972 im Gerüstbau beschäftigt. Nach näherer Maßgabe der Bekanntmachung vom 29.10.2002 (über die AVE von Tarifvertragswerken für das Gerüstbauerhandwerk) ist der Rahmentarifvertrag für Arbeiter (RTV Gerüstbaugewerbe vom 27.07.1993; folgend: RTV) für allgemeinverbindlich erklärt worden (s. BAnz 2002 Nr. 216 v. 20.11.2002). Der Kläger beherrscht die deutsche Sprache nicht. Der Kläger wurde – von verschiedenen externen Einsätzen abgesehen – überwiegend bei Gerüstbauarbeiten auf dem Betriebsgelände der B. AG in L-Stadt eingesetzt. Leiter der Abteilung „B.” der Beklagten ist der J. G.. Sicherheitsbeauftragter und Betriebsratsvorsitzender ist der A. S.. In der Funktion „Abteilungsleiter/Aufsicht” beschäftigt die Beklagte einen türkischen Mitarbeiter. Nach näherer Maßgabe des jeweiligen Parteivorbringens beschäftigte die Beklagte den Kläger früher als Leiter einer Montagekolonne (s. dazu Seite 5 des Schriftsatzes der Beklagten vom 14.07.2005 = Bl. 54 d.A.: „…Seit rund einem Jahr konnten wir einen Einsatz des Klägers als Leiter einer Montagekolonne aus den vorgenannten Gründen nicht mehr vertreten…”).

Am 03.10.2002 (– bzw. am 01.01.2003 mit Abschnitt 3 –) ist die Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Bereitstellung von Arbeitsmitteln und deren Benutzung bei der Arbeit, über Sicherheit beim Betrieb überwachungsbedürftiger Anlagen und über die Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes (– folgend: BetriebssicherheitsVO) in Kraft getreten. Seit dem Jahre 2003 erhöht die B. AG die sprachlichen Anforderungen (in Bezug auf die Deutschkenntnisse der auf ihrem Betriebsgelände arbeitenden Mitarbeitern von Drittfirmen).

Mit dem – als „Ermahnung” bezeichneten – Schreiben vom 10.07.1998 (Bl. 32 d.A.) beanstandete die Beklagte das Verhalten des Klägers vom 07.07.1998 im Zusammenhang mit einem Probealarm. Mit dem Schreiben vom 03.05.2000 (Bl. 33 d.A.) erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung, weil dieser am 27.04.2000 zweimal vorschriftswidrig mit dem Lastenaufzug gefahren war. In der Abmahnung vom 18.05.2004 (Bl. 34 d.A.) hielt die Beklagte dem Kläger u.a. vor, es zugelassen zu haben, dass der (damalige) Leiter der Montagekolonne (– und damaliger Vorgesetzter des Klägers –) K. an einer Absturzkante auf einem Geländer stehend eine Gerüstkette angebracht hatte, ohne eine weitere, zusätzlich erforderliche Sicherungsmaßnahme gegen Absturz durchzuführen. „Als Geprüfter Gerüstbau-Obermonteur” – so heißt es in dieser Abmahnung – erfülle der Kläger „die gleichen Anforderungen wie” sein „hier vorgesetzter Kollege”. Mit den Schreiben vom 17.10.2003 und vom 06.12.2004 (Bl. 29 und 31 d.A.) forderte die Beklagte den Kläger unter Androhung der fristlosen Änderungskündigung auf, seine sprachlichen Defizite in der deutschen Sprache zu beheben. Ähnlich ist das weitere Schreiben der Beklagten vom 28.07.2004 (Bl. 30 d.A.) formuliert, in dem die Beklagte den Kläger weiter darauf aufmerksam macht, dass „im Falle erheblicher Verständigungsprobleme arbeitsrechtliche Konsequenzen gezogen werden müssen”. In einem im Januar 2005 geführten Gespräch im Beisein des Dolmetschers T. wurde der Kläger von dem Geschäftsführer K. N. erneut auf die Notwendigkeit von Sprachkenntnissen hingewiesen (s. zum Gesprächsinhalt Seite 3 des Schriftsatzes der Beklagten vom 01.04.2005 = Bl. 15 d.A.). Im Schriftsatz vom 25.04.2005 (dort Seite 2 = Bl. 21 d.A.) macht der Kläger dazu geltend, dass er sich nach dem Gespräch von Januar 2005 dem An...

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