Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht bei Strafanzeige gegen Arbeitnehmer ohne vorherige innerbetriebliche Aufklärung

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Arbeitgeber kann bei entsprechendem Verdacht auch schon eine Strafanzeige gegen den Arbeitnehmer erstatten, ohne zuvor den Sachverhalt innerbetrieblich aufgeklärt zu haben. Für den Arbeitgeber gelten die gleichen Voraussetzungen wie bei Strafanzeigen durch den Arbeitnehmer. Es dürfen keine unwahren oder leichtfertig behauptete Sachverhalte zur Anzeige gebracht werden. In diesen Fällen entstehen Schadensersatzansprüche nach den §§ 249 ff. BGB.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 23.10.2018; Aktenzeichen 11 Ca 3256/16)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 23.10.2016 - 11 Ca 3256/16 - aufgehoben.
  2. Die Klage wird abgewiesen.
  3. Die Klägerin hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
  4. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das beklagte Land verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten eines Verteidigers zu erstatten, nachdem auf Veranlassung des beklagten Landes gegen sie ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist.

Die Klägerin ist seit 2001 bei dem beklagten Land, dort beim C. (LBB), als Sachbearbeiterin in der Abteilung Portfolio-/Facilitymanagement beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehört es, Verkaufsexposés zu versenden, Begehungen mit Kaufinteressierten durchzuführen, Kaufangebote entgegenzunehmen sowie die Leerstandsverwaltung.

Am 05.03.2015 meldete sich ein Anrufer unter dem Namen " Sch." bei der Leiterin der Niederlassung des LBB in K.. Der Anrufer teilte mit, er habe Informationen über eine Mitarbeiterin des beklagten Landes, die er im Rahmen eines persönlichen Gesprächs mit der Angerufenen allein weitergeben wolle. Zu diesem Gespräch kam es am 10.03.2015 in einem Café. Über das Gespräch fertigte Frau B. einen Aktenvermerk, über dessen Inhalt die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits nicht streiten. Auf den Inhalt des Vermerks wird Bezug genommen (Bl. 182 ff. d. A.). In diesem Gespräch erklärte der Anrufer, sein Nachname sei tatsächlich nicht Sch., sondern P.. Er legte zu Beginn des Gesprächs einen auf diesen Namen lautenden Presseausweis vor. Ausweislich der Gesprächsnotiz sprach Herr P. während des gesamten Gesprächs "langsam und thematisch sprunghaft". Herr P. war mit Urteil des Amtsgerichts K. vom 01.12.2014 (AZ: 33 Ds 2030 JS 57568/12) rechtskräftig zur Zahlung einer Geldstrafe wegen versuchten Betruges zulasten der Geschädigten, Frau B.-L., im Zusammenhang mit der Veräußerung einer Immobilie verurteilt worden. Im zugrundeliegenden Strafverfahren hatte die Klägerin als Zeugin ausgesagt. Das beklagte Land hatte ihr insoweit eine Aussagegenehmigung erteilt. Nach der schriftlichen Urteilsbegründung beruhten die dort maßgeblichen Feststellungen zum Tatgeschehen im Wesentlichen auf den Angaben der Klägerin sowie denen von Frau B.-L.. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Urteilsabschrift Bezug genommen (Bl. 102 ff. d. A.).

Herr P. äußerte gegenüber Frau B.-D., die Klägerin habe verschiedentlich im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit für das beklagte Land einzelne Kaufinteressenten bevorzugt und dafür unrechtmäßig Gegenleistungen angenommen. Er, P., sei im Rahmen der Veräußerung der ehemaligen Polizeiinspektion Kruft im Jahre 2008 als Vermittler für den Modedesigner P. tätig geworden und habe ein Angebot über 2.000.000,00 EUR erstellt. Für die Betreuung dieses Objekts sei die Klägerin zuständig gewesen, die ihn, P., auch zur Unterbreitung eines Angebots aufgefordert habe. Die Klägerin habe gemeinsam mit ihrem Mann an mehreren Modenschauen des Designers P. teilgenommen. Im Rahmen eines gemeinsamen Abendessens, an dem auch er, P., teilgenommen und für das er auch gezahlt habe, habe die Klägerin "angeboten, zu helfen". Man habe über einen lila Pelzmantel im Wert von 17.000,00 EUR gesprochen, den die Klägerin wenige Tage später auch tatsächlich getragen habe. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin tatsächlich einen lilafarbenen Pelzmantel besitzt. Im Verlauf des Gesprächs kam Herr P. nochmals auf die Veräußerung der Polizeiinspektion Kruft zurück. Er sei mehrfach mit der Klägerin und einer weiteren Interessentin, Frau B.-L., vor Ort gewesen. Die Klägerin habe bemerkt, dass "Geld zu holen" sei. Es sei eine enge Beziehung entstanden, aus der sich das Angebot entwickelt habe, das Bad der Klägerin zu sanieren. Dafür gebe es Belege. Frau B.-L. habe nach dem Verkauf u. a. die Klägerin zu einem Essen eingeladen. Auch während der Dienstzeit hätten Treffen stattgefunden. Die Polizeiinspektion Kruft ist - unstreitig - durch den LBB im Jahr 2008 im Rahmen eines Bieterverfahrens zum Höchstgebot an Frau B.-L. und ihre Schwester verkauft worden. Im Zusammenhang mit der Angebotsunterbreitung wurde Herr P. als derjenige genannt, der die Er...

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