Entscheidungsstichwort (Thema)

Abmahnung einer Pflegehelferin bei unentschuldigter Nichtwahrnehmung eines von der Arbeitgeberin aufgrund Tarifvorschrift angeordneten betriebsärztlichen Untersuchung. Unbegründete Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte bei rechtsirrigen Vorstellungen zur Nichtanwendbarkeit des Tarifvertrages und unerheblichen Einwendungen zur medizinischen Erforderlichkeit der Untersuchung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens der Arbeitnehmerin beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, sowie auch dann, wenn selbst bei einer zu Recht erteilten Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse der Arbeitgeberin mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht.

2. Nach § 4 Nr. 1 MTV-Pro Seniore ist die Arbeitnehmerin verpflichtet, sich auf Verlangen der Arbeitgeberin vor ihrer Einstellung ärztlich auf ihre körperliche Eignung (Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit) untersuchen zu lassen und während des Arbeitsverhältnisses bei gegebener Veranlassung dem Verlangen des Arbeitgeberin auf Wiederholung dieser Untersuchung durch einen Arbeitsmediziner nachkommen; wird die Arbeitnehmerin gemäß § 4 Nr. 1 MTV-Pro Seniore von der Arbeitgeberin aufgefordert, sich beim Betriebsarzt vorzustellen, und nimmt sie den insoweit bestimmten Untersuchungstermin nicht wahr, ohne ihr Fernbleiben zuvor zu entschuldigen, ist eine diesbezügliche Abmahnung, soweit sie hinreichend bestimmt ist und auch keine unrichtigen Tatsachen enthält, berechtigt.

3. Die Arbeitnehmerin darf angesichts einer klaren Rechtslage aufgrund eindeutiger gerichtlichen Vorgaben in Vorprozessen zwischen den Parteien nicht darauf vertrauen, dass sie eine nach § 4 Nr. 1 MTV-Pro Seniore angeordnete betriebsärztliche Untersuchung mit dem Argument ablehnen kann, dass der MTV-Pro Seniore auf ihr Arbeitsverhältnis keine Anwendung findet; selbst bei einer unklaren Rechtslage handelt die Arbeitnehmerin bereits fahrlässig, wenn sie sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, in dem sie eine von der eigenen Einschätzung abweichende Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit des fraglichen Verhaltens in Betracht ziehen muss.

4. Für einen Rechtsirrtum ihres Prozessbevollmächtigten hat die Arbeitnehmerin Klägerin nach § 278 BGB einzustehen.

5. Ein von der Arbeitnehmerin vorgelegtes Attest, wonach "aus fachpsychiatrischer Sicht und hinsichtlich der Prophylaxe gravierender gesundheitlicher Störungen iSd. SGB V derzeit weder Nachtdienste noch Dienste durchgeführt werden können, die vor 7:30 Uhr morgens beginnen", während "reguläre Schichtdienste tagsüber" und "Spätschicht durchgeführt werden können, ohne dass Labilisierungen der Psychopathologie und des Biorhythmus zu erwarten sind", entspricht nicht den Mindestanforderungen einer Nachvollziehbarkeit, wenn insbesondere Diagnose und Therapie nicht angeführt worden sind.

6. Eine Verpflichtung der Arbeitgeberin, nicht an dem von ihr bestimmten Arzt für die Untersuchung festzuhalten, kann sich nur dann ergeben, wenn die Arbeitnehmerin (rechtzeitig) begründete Einwände gegen ihn erhebt; aus der Luft gegriffene oder in der Sache unbeachtliche Bedenken gegen den von der Arbeitgeberin bestimmten Arzt ("Lagertheorie") reichen nicht aus.

 

Normenkette

ArbGG § 67 Abs. 4; BGB § 1004 Abs. 1, §§ 242, 278, 1004 Abs. 1 S. 1; MTV-Pro Seniore § 4 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 05.02.2015; Aktenzeichen 7 Ca 945/14)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 5. Februar 2015, Az. 7 Ca 945/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Abmahnung.

Die 1968 geborene Klägerin ist seit November 1995 in der C. der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin in Bad Kreuznach als Pflegehelferin zu einem Bruttomonatsentgelt von ca. € 2.400,- in Vollzeit beschäftigt. Sie ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. und des Betriebsrats, dessen Vorsitzende sie war. Im schriftlichen Formulararbeitsvertrag vom 28.09.1995 zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der DSK Sozialdienste gGmbH, ist ua. folgendes geregelt:

"§ 14

Soweit dieser Arbeitsvertrag ausdrückliche Regelungen nicht enthält, gelten die Bestimmungen des Tarifvertrages zwischen der DSK Sozialdienste gGmbH in Rheinland-Pfalz und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), Bezirksverwaltung Rheinland-Pfalz, in Kraft seit 1. Juli 1990, längstens jedoch bis zum Zustandekommen eines Tarifvertrages für das jeweilige Tarifgebiet oder die jeweilige Einrichtung. Ab diesem Zeitpunkt gelten dann die Bestimmung...

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