Entscheidungsstichwort (Thema)

Maßregelungsverbot des § 612a BGB. Keine Anwendung des § 612a BGB für den Fall der Arbeitsunfähigkeit. Treu und Glauben als zivilrechtliche Generalklausel

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach § 612a BGB darf ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Sinn der Regelung ist es, den Arbeitnehmer in seiner Willensfreiheit bei einer Entscheidung darüber zu schützen, ob er ein Recht ausüben will oder nicht. Diese Entscheidung soll er ohne Furcht vor wirtschaftlichen Repressalien des Arbeitgebers treffen können.

2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des in § 612a BGB verankerten Maßregelungsverbots liegen nicht vor, wenn ein Arbeitnehmer erkrankt. Denn er macht mit dem "Kranksein" kein Recht geltend, sondern ist wegen der infolge der Krankheit bestehenden Arbeitsunfähigkeit außerstande, seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

3. Wenn die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes nicht greifen (z.B. in Kleinbetrieben), sind die Arbeitnehmer lediglich durch die zivilrechtliche Generalklausel vor einer sittenwidrigen oder treuewidrigen Kündigung des Arbeitgebers geschützt. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Umstände, aus denen sich die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 242 BGB ergeben soll, liegt beim Arbeitnehmer.

 

Leitsatz (amtlich)

Die ordentliche Kündigung in einem Kleinbetrieb anlässlich einer Krankmeldung stellt für sich genommen keine nach § 612a BGB verbotene Maßregelung dar.

 

Normenkette

EFZG § 5; BGB §§ 612a, 134, 138, 242

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 19.05.2022; Aktenzeichen 8 Ca 125/21)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 19.05.2022, Az.: 8 Ca 125/21, wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung in einem Kleinbetrieb.

Der am 23.01.1978 geborene, geschiedene und vier Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bei der Beklagten zuletzt 30 Stunden die Woche und einem Bruttostundenlohn von € 15,-- beschäftigt.

Der Kläger war zunächst vom 04.07.2017 bis 31.08.2018 beschäftigt. Am 06.11.2018 schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag.

Die Beklagte beschäftigt die Ehefrau des Geschäftsführers im Rahmen eines Minijobs, den Sohn des Geschäftsführers, Herrn P..., in Vollzeit, Frau B... in Vollzeit, Die schwerbehinderte Frau C... mit 20 Stunden die Woche und Frau S... mit 32,5 Stunden die Woche.

Am Morgen des 16.12.2020 wies der Kläger die Beklagte per E-Mail darauf hin, dass er sich gemäß der Quarantäneverordnung in Quarantäne begeben müsse, da der Kollege, den er am 12.12.2020 privat getroffen habe, sich bereits in Quarantäne begeben habe. Mit E-Mail vom 18.12.2020 um 11:37 Uhr teilte der Kläger mit, dass er sich krankmelden müsse, da er unter Halskratzen, Husten und Kopfschmerzen leide.

Mit Schreiben vom 21.12.2020 kündigte die Beklagte dem Kläger unter Beachtung der geltenden Kündigungsfrist, nach den Berechnungen der Beklagten zum 31.01.2021, hilfsweise zum nächstzulässigen Zeitpunkt. Mit Schreiben vom 07.05.2021 kündigte die Beklagte dem Kläger vorsorglich nochmals fristlos.

Der Kläger trägt vor, dass die Kündigung darauf gründe, dass er am 12.12.2020 einen privaten Kontakt der Kategorie 1 mit einem Kollegen, der ebenfalls Transportunternehmer bei der Beklagten sei, gehabt habe, der am 15.12.2020 positiv auf Covid-19 getestet worden sei, was der Kläger am 16.12.2020 erfahren habe. Er habe außerdem von den Plätzchen, die der Kollege den ganzen Tag im Auto gehabt habe und die nur lose mit einer Plastikfolie bedeckt gewesen seien und die ihm der Kollege geschenkt habe, gegessen. Die Beklagte habe nach dem Hinweis des Klägers, dass er sich in Quarantäne begeben müsse, telefonisch Druck auf ihn ausgeübt und behauptet, dass das Unternehmen systemrelevant sei und er sich, solange keine Symptome bestünden, noch nicht einmal mit einer Infektion in Quarantäne begeben müsse. Der Kläger habe die Beklagte sodann darüber informiert, dass er sich abgeschlagen fühle und anfängliche Zeichen einer Erkältung aufgetreten seien, was der Geschäftsführer der Beklagten mit Druck und Hohn abgetan habe. Dem Kläger sei mitgeteilt worden, dass sich die Beklagte Gedanken machen würde, inwieweit das für sie noch Sinn mache und, dass ihm das, wenn er kein Corona habe, sowieso als unbezahlter Urlaub abgezogen werde. Der Kläger habe sich diesem Druck gebeugt, da er bereits ca. 25 Krankheitstage wegen des Mobbings der Inhaberin der Beklagten und diverser Infekte angehäuft gehabt habe, habe sich jedoch darauf geeinigt, die Kontakte auf ein Minimum zu begrenzen. Hinzu komme, dass bei nahezu jedem Kunden der Beklagten an der Tür stehe, dass ein Betreten der Räume nicht gestattet sei, wenn ein Kontakt mit einer nachweislich mit dem Corona-Virus infizierte...

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