Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Teilzeitbeschäftigten auf Verlängerung seiner Arbeitszeit. Organisationsermessen des Arbeitgebers bei der Gestaltung des Arbeitszeitvolumens des Arbeitsplatzes. Dringende Erforderlichkeit einer vorläufigen personellen Einzelmaßnahme

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Anspruch eines Teilzeitbeschäftigten auf Verlängerung seiner Arbeitszeit setzt voraus, dass ein entsprechender freier Arbeitsplatz zu besetzen ist. Die zu besetzende Stelle muss somit dem Arbeitsplatz entsprechen, auf dem der Arbeitnehmer, der den Verlängerungswunsch angezeigt hat, seine vertraglich geschuldete Tätigkeit ausübt.

2. Dem Arbeitgeber steht ein Organisationsermessen bei der Gestaltung des Arbeitszeitvolumens der Arbeitsplätze zu. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber aus arbeitsplatzbezogenen Erfordernissen nur Teilzeitstellen einrichtet.

3. Eine vorläufige personelle Einzelmaßnahme gem. § 100 Abs. 1 Satz 1 BetrVG muss aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sein. Hierbei kommt es darauf an, wie ein verantwortungsbewusster Arbeitgeber die betriebliche Situation beurteilen würde. Nur wenn die Maßnahme durch grobe, ohne weiteres ersichtliche Verkennung der sachlich-betrieblichen Notwendigkeit erfolgt, ist sie offensichtlich nicht erforderlich.

 

Normenkette

TzBfG § 9; BetrVG § 99 Abs. 1-2, 4, § 100 Abs. 1-3

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Entscheidung vom 10.01.2017; Aktenzeichen 2 BV 105/16)

 

Tenor

  1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Schweinfurt - vom 10.01.2017, Az. 2 BV 105/16, wird zurückgewiesen.
  2. Auf die Anschlussbeschwerde der Beteiligten zu 1) wird Ziffer 2 des Beschlusses des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Schweinfurt - vom 10.01.2017, Az. 2 BV 105/16, abgeändert. Es wird festgestellt, dass die vorläufige Durchführung der Einstellung von P... nicht offensichtlich aus sachlichen Gründen nicht dringend erforderlich war.
  3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Zustimmung des Betriebsrats zu einer Einstellung und über eine vorläufige personelle Maßnahme.

Die Antragstellerin ist ein Logistikunternehmen und gehört zur H... Gruppe. Der Beteiligte zu 2) ist der im Call-Off-Lager G... gebildete Betriebsrat. Von dem Call-Off-Lager in G... aus werden die "H... Sales" mit Ware beliefert.

Am 08.08.2016 schrieb die Antragstellerin eine Stelle in der Abteilung Neuware mit einer Jahresarbeitszeit von 1.600 Stunden (sog. JAZler) zum 01.09.2016 für interne Bewerber ohne Befristung aus. Noch am 08.08.2016 bewarb sich auf diese Stelle der Mitarbeiter P... Dieser war bereits bei der Antragstellerin seit 01.09.2014 befristet bis 31.08.2016 als gewerblicher Mitarbeiter im Bereich Neuware beschäftigt. Die Antragstellerin plante, die ausgeschriebene Stelle mit Herrn P... zu besetzen und diesen zum 01.09.2016 unbefristet einzustellen.

Mit Schreiben vom 25.08.2016 wurde der Beteiligte zu 2) um Zustimmung zur Einstellung des Herrn P... gebeten. Gleichzeitig wurde der Beteiligte zu 2) darüber unterrichtet, man werde Herrn P... gemäß § 100 Abs. 1 BetrVG ab 01.09.2016 vorläufig einstellen. Der Beteiligte zu 2) verweigerte mit Schreiben vom 31.08.2016 die Zustimmung, da Anträge der Mitarbeiter S..., C... und M... zur Erhöhung ihrer arbeitsvertraglichen Arbeitszeit vorlägen, so dass die beabsichtigte Einstellung gegen § 9 TzBfG verstoße. Weiterhin stimmte der Beteiligte zu 2) der vorläufigen personellen Maßnahme nicht zu.

Mit ihrer am 05.09.2016 beim Arbeitsgericht Würzburg eingegangenen Antragsschrift hat die Antragstellerin die Auffassung vertreten, die Zustimmung des Beteiligten zu 2) gelte gemäß § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt, da das Schreiben vom 31.08.2016 nicht als ordnungsgemäße Zustimmungsverweigerung zu werten sei. Sofern man in dem Schreiben vom 31.08.2016 eine formwirksame Verweigerung der Zustimmung sehen wollte, hätte der Beteiligte zu 2) die Zustimmung jedenfalls zu Unrecht verweigert. Es lägen keine Gründe gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG vor. Durch die Einstellung des Herrn P... drohten den im Betrieb beschäftigten Mitarbeitern keine Kündigungen oder sonstigen Nachteile. Die Gefahr von Nachteilen für Teile der Belegschaft lasse sich insbesondere nicht mit den von den Mitarbeitern S..., C... und M... gestellten Anträgen auf Stundenerhöhung begründen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 TzBfG für die genannten Mitarbeiter lägen nicht vor. Es dürfte schon an einem annahmefähigen Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrages fehlen. Ferner fehle es jedenfalls an einem entsprechenden freien Arbeitsplatz im Sinn des § 9 TzBfG. Die mit Herrn P... besetzte Stelle umfasse eine Tätigkeit mit festgelegter Jahresarbeitszeit von 1.600 Stunden. Die Mitarbeiter S... und C... seien aber selbst bereits "JAZler" mit einer Jahresarbeitszeit von 1.600 Stunden. Keinem von beiden wäre damit gedient, auf der neuen Stelle zu arbeiten, da sie damit ihrer gewünschten Stundenerhöhung nicht nähergekommen ...

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