Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Klagefrist für die Kündigungsschutzklage im Berufsausbildungsverhältnis bei Bestehen eines Schlichtungsausschusses

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes über die fristgebundene Klageerhebung (§ 4, § 13 Absatz 1 Satz 2 KSchG) sind auf außerordentliche Kündigungen von Berufsausbildungsverhältnissen jedenfalls dann nicht anzuwenden, wenn gemäß § 111 Absatz 2 Satz 5 ArbGG eine Verhandlung vor einem zur Beilegung von Streitigkeiten aus einem Berufsausbildungsverhältnis gebildeten Ausschuss stattfinden muss. Einer späteren Klageerhebung kann dann allenfalls der Einwand der Prozessverwirkung entgegengehalten werden (BAG 13. April 1989 – 2 AZR 441/88 – BAGE 61, 258 = AP Nr. 21 zu § 4 KSchG 1969 = DB 1990, 586).

 

Normenkette

KSchG § 4 S. 1, § 13 Abs. 1 S. 2; ArbGG § 111 Abs. 2 S. 5; BGB § 242; BBiG 2005 § 22 Abs. 2 Nr. 1; BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Urteil vom 11.11.2010; Aktenzeichen 2 Ca 71/10)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 11. November 2010 (2 Ca 71/10) abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass das Berufsausbildungsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 1. Oktober 2009, zugegangen am 2. Oktober 2009, noch durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 13. April 2010 beendet wurde.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand des Berufsausbildungsverhältnisses.

Der im Juli 1989 geborene ledige Kläger stand seit dem 1. September 2007 in einem Berufsausbildungsverhältnis bei der Beklagten im Ausbildungsberuf Fachkraft Agrarservice (Kopie des Ausbildungsvertrages als Anlage zur Klageschrift überreicht, hier Blatt 14, es wird Bezug genommen). Das Berufsausbildungsverhältnis sollte nach dem Vertrag zum 31.August 2010 sein Ende finden.

Im Jahre 2009 ist vom Betriebshof der Beklagten mehrfach nachts aus den Tanks der Betriebsfahrzeuge in großem Stil Diesel gestohlen worden. Der Kläger wurde in diesem Zusammenhang von einem Zeugen schwer belastet.

Mit Schreiben vom 1. Oktober 2009, dem Kläger zugegangen am 2. Oktober 2009 kündigte die Beklagte daher das Berufsausbildungsverhältnis mit dem Kläger fristlos (Kopie hier Blatt 15f, es wird Bezug genommen). Ausweislich des Textes der Kündigung wird dem Kläger vorgeworfen, Straftaten zum Nachteil der Beklagten begangen zu haben. Es geht dabei um den Vorwurf des Diesel-Diebstahls zu Lasten der Beklagten.

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2009 (hier Blatt 17 ff, es wird Bezug genommen) hat der Kläger den beim Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern gebildeten Schlichtungsausschuss wegen der Kündigung vom 1. Oktober 2009 angerufen. Im Oktober 2009 bestand dieser Schlichtungsausschuss noch und es war im Ministerium sogar so eine Art Geschäftsstelle eingerichtet, die den Antrag des Klägers entgegen genommen und einer Bearbeitung zugeführt hat. Zu einer Sitzung des Schlichtungsausschusses oder auch nur zu einer Anhörung der Parteien ist es aber zu keinem Zeitpunkt gekommen. Weshalb im vierten Quartal 2009 keine Sitzung mehr stattgefunden hat, ließ sich nicht ermitteln. Der Schlichtungsausschuss hat sich jedenfalls als zum Jahresende 2009 aufgelöst angesehen, da die „Verfahrensordnung für ein Schlichtungsausschuss zur Beilegung von Streitigkeiten aus einem Ausbildungsverhältnis” in der Land- und Hauswirtschaft vom 3. Januar 2005 – VI 440 – (Amtsblatt Mecklenburg-Vorpommern 2005 S. 131; Kopie hier Blatt 53 ff) in § 23 eine Art Verfallsdatum bekommen hat, es heißt dort nämlich: „Diese Verfahrensordnung tritt am 31. Dezember 2009 außer Kraft.” Nach einer Schwebezeit in der es rein tatsächlich jedenfalls keinen funktionsfähigen Schlichtungsausschuss gegeben hat, ist dieser spätestens mit der „Verfahrensordnung für ein Schlichtungsausschuss zur Beilegung von Streitigkeiten aus einem Ausbildungsverhältnis in der Land- und Hauswirtschaft” vom 9. Mai 2010 – VI 360 – (Amtsblatt Mecklenburg-Vorpommern 2010 S. 354) erneut eingerichtet worden. Zu einer Befassung mit dem klägerischen Antrag ist es trotzdem zu keinem Zeitpunkt mehr gekommen.

Mit Schreiben vom 29. Januar 2010 (hier Blatt 20, es wird Bezug genommen) hat das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern dem Kläger zu Händen seines Prozessbevollmächtigten diesen Hintergrund mitgeteilt. In der Nachricht heißt es sodann noch wörtlich:

„…

Das bedeutet, dass gegenwärtig kein Schlichtungsausschuss existiert. Gleichwohl wird angestrebt, einen neuen Ausschuss zu errichten, die notwendigen Voraussetzungen dafür werden erarbeitet. Den Zeitpunkt für das Inkrafttreten der neuen Verfahrensordnung kann ich Ihnen jedoch aus heutiger Sicht noch nicht mitteilen.

Im Ergebnis der Verhandlungen in der Strafsache des Auszubildenden haben Sie mir mitgeteilt, dass [der Kläger] von den gegen ihn erhobene...

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