Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfassende Beweislast des Arbeitgebers für Haftung des Arbeitnehmers. Beweislast beim Arbeitgeber für schuldhafte Pflichtverletzung des Arbeitnehmers. Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme durch Arbeitnehmer bei Vermögensdelikten zum Nachteil des Arbeitgebers. Keine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers mangels offensichtlicher Fehleinschätzung der Sach- und Rechtslage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Macht ein Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzung geltend, erstreckt sich dessen Darlegungs- und Beweislast nicht nur auf die Pflichverletzung, sondern auch auf die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität sowie den Schaden.

2. Nach § 619a BGB liegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag verletzt hat und nach § 280 Abs. 1 BGB dem Arbeitgeber zum Schadensersatz verpflichtet ist, beim Arbeitgeber. Dies gilt sowohl für die Pflichtverletzung als auch für das Vertretenmüssen des Arbeitnehmers.

3. Begeht ein Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit der Arbeit rechtswidrige, vorsätzliche Handlungen, die unmittelbar gegen das Vermögen des Arbeitgebers gerichtet sind, verletzt er seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß § 241 Abs. 2 BGB.

 

Normenkette

BGB §§ 611a, 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, §§ 619a, 823 Abs. 2; StGB §§ 263, 266; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 19.08.2020; Aktenzeichen 3 Ca 327/19)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 19.08.2020 zum Aktenzeichen 3 Ca 327/19 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob unstreitige klägerische Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten infolge durch die Beklagte erklärter Aufrechnung mit Schadenersatzansprüchen erloschen sind oder die Beklagte zur Auszahlung verpflichtet ist.

Die Beklagte betreibt als Körperschaft des öffentlichen Rechts ein Universitätsklinikum. Der im November 1966 geborene Kläger, Volljurist, wurde aufgrund Sonderdienstvertrag vom 07.05.2007 (Anlage K1, Bl. 7 ff. d. A.) ab dem 01.08.2007 mit einer Probezeit von 6 Monaten als Personaldezernent eingestellt. In der Folgezeit wurde er als Datenschutzbeauftragter bei der Beklagten bestellt. Mit Änderungsvertrag vom 18.09.2015 (Anlage K3, Bl. 14 ff. d. A.) haben die Parteien festgelegt, dass der Kläger als Justiziar und zweiter Abfallbeauftragter beschäftigt und daneben als Konzernbeauftragter für den Datenschutz eingesetzt wird. Seit 2017 ist der Kläger Mitglied des bei der Beklagten bestehenden Gesamtpersonalrats.

Mit Schreiben vom 17.12.2007 (Anlage B4, Bl. 44 d. A.) hat sich das Vorstandmitglied, Herr G., an den Kläger als Dezernent Personal und Recht gewandt und unter Hinweis auf die Regelungen seines Dienstvertrages um Gewährung der ihm im Rahmen tariflicher Ausschlussfristen zustehenden Altersversorgung gebeten. Dieser Dienstvertrag (Anlage B, Bl. 194 ff. d. A.) lautet unter anderem:

"§ 1

Aufgaben

...

(7) Soweit dieser Vertrag nichts Abweichendes regelt, finden die für das Universitätsklinikum jeweils geltenden Tarifverträge Anwendung. Das sind zurzeit die Bestimmungen des Zukunftssicherungstarifvertrages für die Mitarbeiter des Universitätsklinikums A-Stadt sowie die ihn ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge, in der für die Angestellten der Anstalt des öffentlichen Rechts jeweils geltenden Fassung.

(8) Tarifvertragliche Regelungen über die Arbeitszeit, Eingruppierung und Vergütung finden auf diesen Vertrag keine Anwendung.

...

§ 2

Laufzeit des Vertrages

Herr G. wird in einem freien Dienstverhältnis auf der Grundlage und in Anhängigkeit von der Bestellung zum Kaufmännischen Direktor durch den Aufsichtsrat für die Zeit

vom 01.01.2007 bis 31.12.2012

gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 und 3 UKGVO i.V.m. § 6 Abs. 2 der Satzung des Universitätsklinikums beschäftigt.

...

§ 4

Arbeitsunfähigkeit/Altersversorgung

(1) Für die Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfall und die Gewährung von Sterbegeld finden die Bestimmungen der jeweils geltenden Tarifverträge Anwendung (§ 1 Abs. 7 dieses Vertrages).

(2) Im Falle einer Krankheit, die absehbar länger als 6 Monate dauert, kann der Vertrag von beiden Vertragsparteien ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden. ...

Mit unter dem 19.12.2007 erstelltem Verfügungsvermerk (Anlage B5, Bl. 45 d. A.) hat der Kläger darauf hingewiesen, dass die Bezugnahmeklausel unter § 1 Abs. 7 im Dienstvertrag des ihm vorgesetzten Kaufmännischen Vorstandes G. auf die jeweils geltenden Tarifverträge, soweit der Dienstvertrag nichts anderes regele, verweise und damit einen Anspruch auf Gewährung von Altersversorgung begründe, welcher innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist nach § 37 TV-L und nach Maßgabe der Vorschriften des Tarifvertrag Altersversorgung-ATV i.V.m. dem Leistungsplan der DUK rückwirkend einzurichten sei. Entsprechende Vermerke hat der Kläger auch...

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