Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der Aussetzung eines Kündigungsschutzverfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gegen die vom Integrationsamt erteilte Zustimmung zur Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Es ist regelmäßig ermessensfehlerhaft, ein Kündigungsschutzverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchs- bzw. Klageverfahrens gegen die vom Integrationsamt erteilte Zustimmung zur Kündigung nach § 148 ZPO auszusetzen.

 

Normenkette

ZPO §§ 148, 252; SGB IX §§ 85, 88 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Schwerin (Entscheidung vom 10.11.2016; Aktenzeichen 2 Ca 668/16)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 06.01.2017 wird der Aussetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Schwerin vom 10.11.2016, ausgefertigt am 19.12.2016, aufgehoben.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen personenbedingten Kündigung, die Entfernung zweier Abmahnungen aus der Personalakte und über die an Wochenenden abzuleistenden Schichtzeiten.

Der 1969 geborene Kläger schloss am 27.03.1997 mit einer Rechtsvorgängerin der Beklagten zum 01.04.1997 einen Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung als Verpackungshelfer. Die Beklagte produziert im Mehrschichtbetrieb verschiedene Brotsorten und beschäftigt rund 450 Arbeitnehmer. Der Kläger ist verheiratet und hat unterhaltspflichtige Kinder. Er ist mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehindert. Von 2010 bis 2014 war er Mitglied des Betriebsrats.

Der Kläger wurde aufgrund eines ärztlichen Attestes zuletzt nur noch in der Frühschicht eingesetzt. Er durfte keine Gegenstände mit einem Gewicht von mehr als 5 kg tragen oder heben. Der Kläger war in den zurückliegenden Jahren mehrfach arbeitsunfähig. Es fanden seit dem Jahr 2009 insgesamt vier Gespräche zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement statt, zuletzt im August 2015.

Das Landesamt für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern - Integrationsamt Schwerin - erteilte der Beklagten am 18.04.2016 die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers.

Die Beklagte unterrichtete den Betriebsrat mit Schreiben vom 21.04.2016 zu der beabsichtigten Kündigung des Klägers. Der Betriebsrat widersprach der Kündigung noch am selben Tag.

Unter dem 27.04.2016 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid des Integrationsamtes vom 18.04.2016 ein.

Mit Schreiben vom 28.04.2016, dem Kläger zugegangen am selben Tag, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.10.2016. Unter demselben Datum mahnte sie den Kläger ab wegen des unerlaubten Kopierens von Firmenunterlagen zum Privatgebrauch am 22.04.2016.

Mit Schreiben vom 19.08.2016 sprach die Beklagte eine weitere Abmahnung aus, mit der sie dem Kläger vorwarf, am 25.07.2016 von einem Brot ein Stück abgebrochen und gegessen zu haben und damit gegen die Hygienerichtlinien verstoßen zu haben.

Der Widerspruch des Klägers gegen die Zustimmung des Integrationsamtes wurde am 12.10.2016 zurückgewiesen. Hiergegen reichte der Kläger beim Verwaltungsgericht Klage ein.

Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam und bestreitet die von der Beklagten aufgelisteten Fehlzeiten. Er sei durchaus in der Lage, zeitweise auch schwerere Gegenstände als 5 kg zu bewegen. Es sei von einer positiven Gesundheitsprognose auszugehen. Zudem habe die Beklagte den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört. Die Abmahnungen seien nicht berechtigt. Die Unterlagen habe er für eine Beschwerde beim Betriebsrat kopiert. Er habe kein Brot gegessen, sondern sich nur an dem noch warmen Abfall-Brot die Hände wärmen wollen.

Die Beklagte meint, die Kündigung sei wirksam. Sie behauptet, dass der Kläger wie folgt gefehlt habe (ohne Fehlzeiten wegen Arbeitsunfällen):

2013

101 Arbeitstage

2014

132 Arbeitstage

2015

40 Arbeitstage

Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß unterrichtet worden.

Das Arbeitsgericht Schwerin hat den Rechtsstreit im Anschluss an die streitige Verhandlung vom 10.11.2016 mit Beschluss vom selben Tag, ausgefertigt am 19.12.2016, gemäß § 148 ZPO bis zur Rechtskraft des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2016 ausgesetzt. Zur Begründung hat es angeführt, dass die Wirksamkeit der Kündigung vom 28.04.2016 nach derzeitiger Beurteilung von der Wirksamkeit der Zustimmung des Integrationsamtes abhängen werde.

Der Kläger hat gegen diesen, ihm am 23.12.2016 gestellten Beschluss mit Schriftsatz vom 06.01.2017, beim Arbeitsgericht eingegangen am selben Tag, fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 23.01.2017 nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Der Kläger meint, das Arbeitsgericht habe den Rechtsstreit zu Unrecht ausgesetzt. In Bestandsschutzverfahren sei eine Aussetzung wegen des Beschleunigungsgrundsatzes regelmäßig ermessensfehlerhaft. Für die Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag sei nur erheblich, ob das Integrationsamt die Zustimmung vor Ausspruch der Kündigung erteilt habe, nicht aber, ob die Zustimmung wirksam erteilt sei. Die Anfechtung...

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