Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame außerordentliche Kündigung wegen eigenmächtigen Urlaubsantritts bei unklarem betrieblichen Abläufen der Urlaubsgewährung

 

Leitsatz (amtlich)

Interessenabwägung bei Kündigung wegen eingenmächtigen Urlaubsantritts

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Tritt ein Arbeitnehmer eigenmächtig einen vom Arbeitgeber nicht genehmigten Urlaub an, verletzt er seine arbeitsvertraglichen Pflichten; ein solches Verhalten ist "an sich" geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung (§ 626 Abs. 1 BGB) darzustellen.

2. Erteilt der Arbeitgeber ohne ausreichende Gründe nicht den beantragten Urlaub, kann der Arbeitnehmer durch eine Leistungsklage oder gegebenenfalls einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung seiner Ansprüche durchsetzen; ein Recht, sich selbst zu beurlauben, hat der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht.

3. Die Beweislast für die Nichtgenehmigung des Urlaubs liegt entsprechend den Grundsätzen zum Kündigungsschutzrecht beim Arbeitgeber.

4. Eine unberechtigte Urlaubsverweigerung durch den Arbeitgeber ist im Rahmen einer Kündigung jedenfalls bei der Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmer mit zu berücksichtigen; dabei ist davon auszugehen, dass die Bestimmung des Urlaubszeitpunkts nicht etwa im billigem Ermessen des Arbeitgebers (§ 315 BGB oder § 106 GewO) liegt sondern der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs verpflichtet ist, nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BUrlG die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen und daher auch den Urlaub für den vom Arbeitnehmer angegebenen Termin festzusetzen, jedenfalls dann, wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BUrlG nicht gegeben sind.

5. Die Beweislast dafür, dass der Urlaub zu Recht verweigert wurde, liegt jedenfalls im Kündigungsschutzprozess beim Arbeitgeber; dringende betriebliche Belange im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BUrlG liegen nicht bereits dann vor, wenn die Berücksichtigung des vom Arbeitnehmer geäußerten Wunsches zu Störungen im Betriebsablauf führt, denn diese treten regelmäßig beim Fehlen eines Mitarbeiters auf und sind hinzunehmen und durch entsprechende Personaldispositionen auszugleichen.

6. Hat der Arbeitgeber ein verwirrendes und die Beschäftigten in ihrer Rechtssicherheit benachteiligendes System der Urlaubsbewilligung geschaffen, indem er von den Beschäftigten schriftliche Urlaubsanträge verlangt und seinerseits auf eine schriftliche Verständigung hinsichtlich der Urlaubsgewährung verzichtet, und hat er das von ihm geschaffene Verfahren sowie die Bedeutung verschiedener Urlaubstafeln und Kalender den Beschäftigten gegenüber nicht dokumentiert, ist dieser Umstand im Rahmen der Interessenabwägung zugunsten des gekündigten Arbeitsnehmers zu berücksichtigen.

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG § 1; BGB § 626 Abs. 1; BUrlG § 7 Abs. 1 S. 1 Hs. 1; BUrlG § 7 Abs. 1 S. 1 Hs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 04.12.2012; Aktenzeichen 6 Ca 9950/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 04.12.2012 - 6 Ca 9950/11 - abgeändert:

  • 1

    Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung des Beklagten vom 18.04.2012, zugegangen am 18.04.2012, nicht aufgelöst worden ist.

  • 2

    Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.

  • 3

    Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den im Arbeitsvertrag vom 14.02.2002 geregelten Arbeitsbedingungen als Anleiter im Fachbereich "Beratung und Hilfe" bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.

  • 4

    Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis durch außerordentliche, hilfsweise fristgerechte Kündigung des Beklagten, die wegen eigenmächtigen Urlaubsantritts ausgesprochen wurde, beendet worden ist.

Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 3 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Gegen dieses ihm am 28.01.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.01.2013 Berufung eingelegt und diese am 25.02.2013 begründet.

Der Kläger beruft sich zunächst darauf, dass bei dem Beklagten - was als solches unstreitig ist - keine schriftlichen niedergelegten Regeln für das Prozedere bei der Urlaubsbeantragung und -bewilligung existieren. Die bisherige Praxis habe so ausgesehen, dass die Urlaubsanträge durch die Arbeitnehmer bei der Zeugin B eingereicht und von dieser an den Einrichtungsleiter weitergegeben worden seien, der sie dann beschieden habe. Die Entscheidung sei jedoch nie schriftlich an den antragstellenden Arbeitnehmer verkündet worden -was als solches ebenfalls unstreitig ist. Eine positive Bescheidung des Urlaubsantrages sei vielmehr daran abzulesen gewesen, dass der entsprechende Urlau...

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