Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansprüche einer Bewerberin für eine Dienstleistung als persönliche Assistentin einer schwerhinderten Person wegen Benachteiligung aufgrund des Alters

 

Leitsatz (redaktionell)

Zwar indiziert es eine unmittelbare Benachteiligung einer Bewerberin um eine Anstellung als persönliche Assistentin einer schwerbehinderten Person wegen ihres Alters, wenn in der Ausschreibung auf Wunsch der schwerbehinderten Person ein bestimmtes Alter angegeben wird. Dies ist jedoch aufgrund der beruflichen Anforderungen der Tätigkeit der persönlichen Assistenz i.S. von § 8 Abs. 1 AGG gerechtfertigt.

 

Normenkette

AGG §§ 15, 15 Abs. 2, § 8 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 27.03.2019; Aktenzeichen 20 Ca 7129/18)

 

Nachgehend

BAG (EuGH-Vorlage vom 24.02.2022; Aktenzeichen 8 AZR 208/21 (A))

BAG (Vorlegungsbeschluss vom 24.02.2022; Aktenzeichen 8 AZR 208/21 (A))

 

Tenor

Das Versäumnisurteil vom 18.12.2019 wird aufrechterhalten.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung aufgrund des Alters.

Die Klägerin ist am 12.03.1968 geboren. Sie hat im Jahre 1978 eine Ausbildung zur Bürokauffrau abgeschlossen und im Jahre 1988 die Fachhochschulreife erworben. Im Jahre 2004 hat sie das Diplom in Betriebswirtschaft erlangt. Ferner hat sie diverse Studiengänge (Rechtswissenschaften, Geschichtswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften) begonnen, aber nicht abgeschlossen. In den Jahren 2002 bis 2014 hat sie ihre pflegebedürftige Mutter gepflegt. Im Zeitraum 01.12.2016 bis 30.11.2017 war sie bei einem M Pflegeteam als sog. Persönliche Assistentin angestellt.

Die Beklagte ist ein Assistenzdienst, der behinderte Menschen in allen Belangen rund um das Thema Persönliche Assistenz unterstützt. Durch Persönliche Assistenten sollen Menschen mit Behinderungen ihr Leben selbstbestimmt leben, unabhängig von ihren körperlichen, geistigen und/oder seelischen Einschränkungen. Die Beklagte berät die behinderten Menschen von der Beantragung des Persönlichen Budgets bis hin zur Bewilligung durch den Kostenträger. Ferner steht sie den Behinderten bei der Mitarbeitersuche zur Seite. Dies betrifft unterschiedliche Assistenzdienste, wie etwa Arbeitsassistenz, Alltagsassistenz, Freizeitassistenz, Elternassistenz, Studienassistenz oder auch 24 -Stunden-Assistenz. Im Rahmen der Unterstützung bei der Mitarbeitersuche betreibt die Beklagte als Stellenmarkt auch ein Internetportal (www. ). Die Behinderten können dort ein Stellenangebot inserieren. Die Beklagte stellt den Behinderten vorab einen Fragebogen zur Verfügung, in welchem sie Wünsche im Hinblick auf die Person des Assistenten, wie etwa Geschlecht oder Alter, angeben können. Sofern eine Vermittlung erfolgreich ist, schließen die Behinderten mit der Beklagten einen Dienstleistungsvertrag, die Assistenzperson einen Arbeitsvertrag mit der Beklagten. Am 05.08.2018 bewarb sich die Klägerin per E-Mail (Bl. 44 f. d. A.) auf eine Stellenausschreibung im o. g. Internetprotal der Beklagten. In diesem Stellenangebot vom 25.07.2018 suchte eine schwerbehinderte Frau namens "A ", 28 Jahre alt und Studentin an der Universität zu K , eine persönliche Assistentin in allen Lebensbereichen des Alltags, die am besten zwischen 18 und 30 Jahre alt sein sollte.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Stellenausschreibung wird auf Bl. 14 d. A. verwiesen. Die Beklagte wies die Bewerbung der Klägerin mit E-Mail vom 09.08.2018 mit der Begründung zurück, sie habe sich aufgrund der hohen Anzahl von Bewerbern für einen anderen Bewerber entschieden (Bl. 11 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 27.03.2019 (Bl. 133 ff. d. A.) - unter Zurückweisung im Übrigen - die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung an die Klägerin in Höhe eines potentiellen Bruttomonatsengelts von 1.770,00 € verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, durch die Stellenausschreibung werde die Klägerin wegen ihres Alters ungerechtfertigt benachteiligt. Das Alter stelle keine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die Assistenz eines behinderten Menschen dar. Die Beklagte könne sich nicht auf das Selbstbestimmungsrecht des Behinderten berufen, denn deren Selbstbestimmungsrecht werde nicht berührt. Bei persönlichen Assistenzleistungen komme es in erster Linie auf die vom Alter unabhängige zwischenmenschliche Beziehung und Empathie an. Die Vorstellung ältere und jüngere Menschen könnten schlechter miteinander umgehen als Gleichaltrige mag ein gesellschaftliches Vorurteil sein, dieses abzubauen sei aber gerade das Ziel des AGG. Schließlich verfolge die Beklagte auch keine sozialpolitischen Ziele, die im Interesse der Allgemeinheit stünden, sondern nur die Umsetzung von Kundenwünschen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, we...

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